Foto: National Cancer Institute via Unsplash
Krebs geht uns alle etwas an – Eure Geschichten, Teil 2
Als ich mich im Sommer dazu entschieden habe, hier und auf Instagram offen über meine Brustkrebserkrankung zu sprechen, war mir bewusst, dass mich einige Nachrichten und Reaktionen à la "Danke, dass du darüber sprichst – auch ich bin/war erkrankt und bin froh, dass dieses Thema einen Raum erhält" erreichen werden. Damit, dass mich jedoch tagtäglich Nachrichten und Mails erreichen, in denen mir Menschen ihre persönlichen, mitmachenden, traurigen und ehrlichen Geschichte erzählen, habe ich ehrlicherweise nicht gerechnet. Und so habe ich gelernt, dass Krebs uns alle etwas angeht – ob als Betroffene oder Angehörige. In der Folge ist ein Aufruf an euch entstanden: der Aufruf, zu erzählen, inwiefern auch ihr schon einmal mit Krebs in Berührung gekommen seid – und auf den mich weitere persönliche Geschichten von euch erreicht haben, die ich euch hier Stück für Stück vorstellen möchte. Nachdem uns also Julia kürzlich von ihrem Weg zurück in die Gesundheit nach ihrer Brustkrebsdiagnose erzählt hat, berichtet heute Lisa von ihrer Erkrankung am Hodgkin Lymphom – und ihrer Challenge gegen den Krebs.
Alles fing mit einem scheinbar harmlosen Husten an, bei dem ich mir nicht viel gedacht habe. Mit der Zeit wurde daraus allerdings ab und zu Atemnot und ich fing an zu merken, dass irgendetwas nicht stimmte. Nachdem mein erster Gang zum Lungenarzt keine Klarheit brachte, habe ich mir völlig nichtsahnend für ein paar Tage später einen Termin beim HNO Arzt gemacht und werde nie vergessen, wie er mich ansah und mich direkt fragte, ob mir noch nie aufgefallen sei, ganz geschwollene Lymphknoten am Hals zu haben.
Aufgrund seiner Fragestellungen und seiner doch eher sehr plötzlichen hektischen Art bekam ich langsam ein ungutes Gefühl. Ich wurde sofort in den Ultraschall geschickt, es fiel das erste Mal das Wort „Knoten“ und ich bekam eine dringliche Überweisung zum MRT.
Da es mir bis auf die Atemnot und einen andauernden Juckreiz am ganzen Körper (den ich natürlich niemals mit Krebs in Verbindung gebracht hätte, der aber, wie ich später erfuhr, auch ein Symptom war) gut ging, wollte und konnte ich überhaupt nicht glauben, ernsthaft krank zu sein.
Die MRT Bilder und eine darauffolgende Biopsie lehrten mich aber eines Besseren: Zwei Wochen nach meinem Besuch beim HNO-Arzt hatte ich eine Diagnose schwarz auf weiß: Hodgkin Lymphom Nodulär-sklerosierender Typ.
Es war für mich völlig unverständlich. Menschen, die unter dieser Krankheit leiden, sind in der Regel junge Erwachsene bis ca. 30 Jahre oder ältere Erwachsene ab ca. 60 Jahren. Es sind häufig Menschen, die unter Müdigkeit und Abgeschlagenheit leiden, die unerklärlichen Gewichtsverlust haben, Fieber und Nachtschweiß. Nichts von diesen ganzen Punkten traf auf mich zu – wie konnte das also sein?
Mein Onkologe hatte schon im ersten Gespräch zu mir gesagt, ich solle gar nicht erst anfangen, mir die Frage „Warum ich?“ zu stellen – es gibt keine Antwort auf diese Frage und sie kann einen in den Wahnsinn treiben. Ganz abstellen konnte ich das zwar nicht, aber ich habe mir alle Mühe gegeben. Er hat mir außerdem erklärt, welche Therapie auf mich zukommt, mit welchen Neben- und Nachwirkungen ich rechnen muss und hat aber auch immer wieder betont, wie groß die Heilungschancen dieser Krebsart seien. Neben all den angstvollen Momenten hat mir das immer ganz viel Kraft und Hoffnung gegeben.
"Wenn ich über meine Krankheit und die Zeit der Therapie rede, ist es mir aber immer wichtig zu sagen, dass diese Zeit kein dunkles Loch für mich war. Sicherlich waren es auch nicht die hellsten Stunden in meinem Leben, doch die Zeit war geprägt von so viel Liebe und Zuneigung meines Umfeldes – von meiner Familie, meinem Freund, meinen Freund*innen, meinen Kolleg*innen bis hin zu meinen Nachbar*innen. Das erfüllt mich mit unglaublich viel Dankbarkeit."
Lisa ist Mitglied in dem Verein Eisvogel e.V., der Menschen mit Krebs unterstützt. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Erkrankungen wie Leukämie und Lymphdrüsenkrebs. Als Patin kann sie Betroffenen während der Therapiezeit zur Seite stehen – wir können gerne einen Kontakt zu Lisa herstellen, meldet euch. Ihr seid nicht allein.
Im Laufe meiner Erkrankung, und insbesondere der Chemotherapie, war ich so dankbar, so viele tolle und unterstützende Menschen um mich herum zu haben. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Chemotag. Ich war voller Angst und Unwissenheit und alles fühlte sich unglaublich falsch an – und dann kamen so viele Nachrichten von lieben Menschen aus meinem Umfeld, die mich teilweise sogar zum Lachen gebracht haben und mir irgendwie geholfen haben, durch diesen Tag zu kommen. Und nicht nur durch den Tag, sondern durch die ganzen Monate, die danach noch folgten.
Im Großen und Ganzen habe ich die Therapie recht gut vertragen, es gab natürlich bessere und weniger gute Tage. Aber ich habe gelernt, mich an den kleinen schönen Dingen zu erfreuen und auch die nicht so guten Tage zu akzeptieren.
Die Sache mit den schönen Momenten in herausfordernden Situationen
Von dem ersten Gespräch beim HNO-Arzt bis zu dem Arztgespräch, an dem mir gesagt wurde, dass ich krebsfrei bin, sind gerade mal vier Monate vergangen. Das ist natürlich nichts im Vergleich zu den vielen Jahren, die ich schon leben durfte und hoffentlich noch leben werde. Dennoch haben sie mein Leben tief beeinflusst und werden für immer einen festen Bestandteil in meinem Leben haben. Wenn ich über meine Krankheit und die Zeit der Therapie rede, ist es mir aber immer wichtig zu sagen, dass diese Zeit kein dunkles Loch für mich war. Sicherlich waren es auch nicht die hellsten Stunden in meinem Leben, doch die Zeit war geprägt von so viel Liebe und Zuneigung meines Umfeldes – von meiner Familie, meinem Freund, meinen Freund*innen, meinen Kolleg*innen bis hin zu meinen Nachbar*innen. Das erfüllt mich mit unglaublich viel Dankbarkeit. Und ich habe auch einen Stolz auf mich und meinen Körper erfahren, den ich so nicht kannte.
Ich weiß, dass mein soziales Umfeld und die Tatsache, dass ich körperlich und seelisch in einem sehr stabilen Zustand war, als mich die Diagnose getroffen hat, nicht selbstverständlich sind und dass natürlich jede Situation der Betroffenen ganz individuell ist. Und trotzdem möchte ich gerne allen Mut machen, die sich mit Themen wie Chemotherapie, Arztbesuchen, Blutbilder, Haarverlust etc. auseinandersetzen müssen und ihnen mitteilen, dass es zwischen diesen ganzen schlimmen Momenten auch den Raum für ganz viele schöne Momente gibt – und diese können im Nachhinein (oder vielleicht auch schon währenddessen) die Chance bieten, alles Dunkle zu übertönen.
Ich werde die Zeit niemals vergessen und werde durch einige bleibende Folgen jeden Tag an die Zeit erinnert. Dennoch kann ich heute sagen, dass ich mit viel Kraft und Zuversicht aus dieser Zeit herausgegangen bin – mit viel Vertrauen in die Medizin und mit einer unfassbar großen Lust zu leben.