offene Ehe

Gastbeitrag: Warum ich erst dachte, dass meine Ehe zerbricht und jetzt in einer offenen Beziehung glücklich bin

Nach 20 gemeinsamen Jahren öffnen Anna und Alex Weiss ihre Ehe. Beiden ist es nun möglich, andere Menschen zu treffen und mit ihnen Sex zu haben. Was das mit ihr und ihrer Beziehung gemacht hat, davon erzählt Anna Weiss in ihrem Buch „Co-Fucking“, das im GU-Verlag erschienen ist. Auf sehr ehrliche Weise berichtet sie von Eifersucht und Pleiten, aber auch, wie befreiend es sein kann, fernab von gesellschaftlichen Konventionen zu denken und zu leben – gerade als Frau. Ein Auszug aus ihrem Buch.

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"»Friends«, »Dirty Dancing«, »Titanic«, »Pretty Woman«. Alle diese Geschichten hämmerten mir über Jahrzehnte hinweg immer wieder dasselbe ein: »Du musst die eine Liebe deines Lebens finden, dann wirst du mit ihm glücklich. Für immer und ewig.« "

Als ich Alex kennenlernte, war ich im letzten Schuljahr. Alex war schon fertig mit der Schule und machte seinen Zivildienst. Eine gemeinsame Freundin lud uns beide zu einem Treffen mit ihrem Freund ein. Ob sie uns verkuppeln wollte? Darauf hatte ich eigentlich keine Lust. Ein Freund, das interessierte mich damals nicht. Als ich dann aber Alex sah, machte es Klick.

Noch heute, 25 Jahre später, erinnere ich mich an den Moment und das Gefühl, als ich Alex zum ersten Mal traf. An dem Sommerabend damals habe ich mich nicht sofort verliebt. Aber Alex hatte etwas, das mich faszinierte. Und ich sollte recht behalten. Denn die Jahre mit ihm waren und sind perfekt. Aufregend, spannend, belebend. Für mich ist unsere Geschichte wie ein Märchen oder eine Hollywoodromanze: Ich bin darin das junge Mädchen, das die große Liebe findet und mit ihr bis zum Lebensende glücklich zusammenbleibt.
Das ist unfassbar romantisch – und natürlich völlig schwachsinnig. Ich bin keine Prinzessin, die vom Prinzen gerettet werden muss.
Warum vergleiche ich mich dann aber trotzdem? Das wurde mir bewusst, als wir unsere Ehe öffneten. War mein Leben damit nun weniger märchenhaft als ein monogames?

offene Ehe
  • Anna Weiss: Co-Fucking: Warum ich erst dachte, dass meine Ehe zerbricht und jetzt in einer offenen Beziehung glücklich bin, hier erhältlich
  • Gebundene Ausgabe: 205 Seiten
  • erschienen bei: GU Verlag

"Wenn Alex und ich unsere Beziehung für Sex mit anderen Menschen öffneten, musste das zu Problemen führen, oder? Das jedenfalls dachte auch ich anfangs. Heute weiß ich: Das muss nicht sein."

Als kleines Mädchen bekam ich von meiner Oma »Grimms Märchen« geschenkt. Ich war fasziniert von den Geschichten. Vor allem Dornröschen hatte es mir angetan. Auf den Bildern dazu sah ich ein bildschönes, blondes Mädchen, das erst in einen 100-jährigen Schlaf fiel und dann von einem genauso schönen Prinzen wachgeküsst wurde. Am Ende heirateten die beiden. Von Rapunzel konnte ich ebenfalls nicht genug hören. Wie sie in einen Turm gesperrt wurde, ihr langes Haar herunterließ und damit ihren Traumprinzen zu sich heraufzog.

Die Märchenphase war irgendwann vorbei und ich entdeckte Fernsehserien und Kinofilme. »Friends«, »Dirty Dancing«, »Titanic«, »Pretty Woman«. Alle diese Geschichten hämmerten mir über Jahrzehnte hinweg immer wieder dasselbe ein: »Du musst die eine Liebe deines Lebens finden, dann wirst du mit ihm glücklich. Für immer und ewig.« Wie sehr mich diese romantischen Liebesgeschichten geprägt hatten, merkte ich erst, als wir unsere Ehe öffneten.
Alex war meine große Liebe, mein Mr. Right. Warum riskierte ich unser Happy End?

Das beschäftigte mich zu Beginn sehr. Unterbewusst hatte ich eine sehr eindeutige Message verinnerlicht: Unser Glück war in Gefahr, sobald wir nicht mehr zu zweit blieben. Denn was all diese Geschichten bis heute gemeinsam haben, ist die scheinbar in Stein gemeißelte Grundannahme, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt unseres Lebens jeweils nur mit einem einzigen Partner glücklich werden können. Möglicherweise entlieben wir uns und verlieben uns neu. Möglicherweise haben wir im Laufe des Lebens mehrere Partner. Aber die haben wir bitteschön nacheinander und nicht nebeneinander.

Das gilt auch für die Literatur und die Musik. Sobald eine dritte Person auftaucht, beginnen die Verletzungen und das Drama. Kein Wunder, dass ich zunächst dachte: »Das Öffnen der Ehe ist der Anfang vom Ende.«

"Natürlich wusste ich, dass man aus purer Lust Sex haben konnte. Trotzdem hatte ich dazu ebenfalls eine romantische Vorstellung verinnerlicht: Liebe und Sex sind untrennbar miteinander verbunden."

Nun aber wollte ich neu lernen und umdenken.
Ich überlegte: Dornröschen musste 100 Jahre im Dauerschlaf zubringen. Wollte sie danach wirklich immer nur einen einzigen Mann haben? Wer weiß, ob die Chemie zwischen ihnen überhaupt stimmte. Und Rapunzel: Nach all der elendigen Warterei küsste sie lediglich ihren Retter? Der sah bestimmt heiß aus. Aber wollte sie ihre neu gewonnenen Freiheiten nicht trotzdem auch ein bisschen auskosten? Vielleicht sogar gemeinsam mit ihrem Helden?
Mit den Märchen war es einfach. Schwieriger war es mit Geschichten aus der Gegenwart. Auf einmal konnte ich Filme und Serien nicht mehr so unbeschwert genießen. Ständig fiel mir die Sehnsucht nach einem Happy End zu zweit auf. Überall schienen mich Romanzen über die wahre, große und einzige, vor allem aber monogame Liebe zu verfolgen.

Bei dem Thema war ein Aspekt entscheidend: die Rolle von Sex. Natürlich wusste ich, dass man aus purer Lust Sex haben konnte. Trotzdem hatte ich dazu ebenfalls eine romantische Vorstellung verinnerlicht: Liebe und Sex sind untrennbar miteinander verbunden. Sex kann eine Beziehung besiegeln. Sex mit dem Einen ist etwas Besonderes.
Wenn Alex und ich unsere Beziehung für Sex mit anderen Menschen öffneten, musste das zu Problemen führen, oder? Das jedenfalls dachte auch ich anfangs. Heute weiß ich: Das muss nicht sein. Nach fünf Jahren offener Ehe weiß ich: Ich als Frau habe manchmal einfach Lust auf andere Menschen. Es ist aufregend und belebend, andere Menschen kennenzulernen, neue Körper zu erkunden. Die Chemie ist jedes Mal anders. Und: Nur weil ich mit einer anderen Person ins Bett gehe, verliebe ich mich nicht und will meinen Mann verlassen. Im Gegenteil. Wir geben uns Freiheiten und wissen gleichzeitig, dass wir uns die wichtigsten Menschen im Leben sind. Für mich kann Liebe nicht schöner sein.

offene Ehe

Anna Weiss schreibt in "Co Fucking" über ihre offene Ehe.

Wie definiere ich also die wahre Liebe? Wenn ich alles ignoriere, was ich gelernt habe, und nur in mich hineinhöre, war die Antwort schon längst da: Alex ist mein Traumprinz. Für mich gibt es keinen anderen, mit dem ich mein Leben teilen möchte.
Für mich ist unsere Geschichte ein modernes Märchen.

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