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Endometriose-Tagebuch, Teil 1 || Wenn die Angst vor der nächsten Periode zur psychischen Belastung wird
Von Vermutungen wie "Du scheinst zu den Frauen zu gehören, die einfach stärkere Menstruationsbeschwerden haben" bis hin zu Aussagen à la "Vielleicht bist du etwas schmerzempfindlicher als andere" – Sätze wie diese kenne ich bestens. Das Tückische, wenn man immer wieder mit Aussagen dieser Art konfrontiert wird? Es kann passieren, dass man sie irgendwann glaubt …
Meine Periode habe ich jahrelang ausschließlich mit Schmerzen in Verbindung gebracht. Schmerzen, die irgendwann so schlimm wurden, dass sie sich gewissermaßen in Angst verwandelten. Angst vor dem nächsten Monat. Vor den Stichen im Unterleib. Und der Angst, erneut an seine Grenzen – und sogar darüber hinaus – kommen zu müssen, weil der Körper es so vorgibt.
Schon während meiner Schulzeit habe ich immer unter starken Regelschmerzen gelitten. Nicht selten habe ich mich während meiner Periode mehr schlecht als recht in den Kursraum geschleppt und drei sprichwörtliche Kreuze gemacht, wenn ich mich nach Schulschluss für den Rest des Tages ins Bett verkriechen konnte. "Du Arme, du scheinst zu jenen Frauen zu gehören, die stärkere Regelbeschwerden als andere haben", waren typische Sätze, die ich damals zu hören bekam. Auch der Satz "Warte bis zur ersten Schwangerschaft ab, danach wird es sicher besser", fiel nicht selten. Ein Satz, der mein damals 18-jähriges Ich alles andere als nach vorne brachte …
Wenn die Angst zum allmonatlichen Dauerbegleiter wird
Während des Studiums ließ ich das mich-in-den-Kursraum-schleppen dann irgendwann bleiben und blieb während meiner Periode direkt im Bett. Stets an meiner Seite: meine Wärmflasche – und die Schmerzen, die gefühlt von Monat zu Monat schlimmer wurden. Irgendwann sprach ich das Thema bei meinem Gynäkologen an, doch auch hier kam der Allzweckwaffen-Satz "Offenbar haben Sie schlicht und ergreifend stärkere Schmerzen als andere Frauen, ich verschreibe Ihnen ein Schmerzmittel" zum Einsatz.
Rückblickend betrachtet kann ich nicht sagen, warum ich damals nicht mehr Antworten eingefordert habe. Warum ich mich nicht intensiver umgehört habe, woher die Schmerzen kommen könnten. Womöglich hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits verinnerlicht, dass ich womöglich wirklich schmerzempfindlicher bin als andere Frauen …
Wirklich problematisch wurde es dann, als ich mich einige Jahre später im Arbeitsleben befand. Einmal im Monat eine Krankmeldung einreichen und drei Tage im Bett bleiben? Undenkbar! Also blieb ich meinem Modus treu und schleppte mich ins Büro. Natürlich im Doppelpack, denn die Schmerzen waren stets an meiner Seite. Inzwischen waren Schmerzmittel zum allmonatlichen Begleiter geworden, die Wärmflasche erfüllte ihren Zweck schon lange nicht mehr. Dafür hatte sich etwas anderes als eine Art Dauerbegleiter in meinem Leben eingenistet: Angst.
Was war schlimmer? Die Schmerzen oder die Angst vor ihnen?
Zum einen war da die Angst vor den Schmerzen, von denen ich wusste, dass sie mich drei bis vier Tage meines Monats und somit auch meiner Lebensqualität kosten würden. Und dann war da noch eine weiterer belastender Punkt: Denn ich hatte Sorge, meine Arbeit wegen der Beschwerden nicht zu schaffen. Irgendwann schuf ich mir eine neue Routine: Ich versuchte, alle wichtigen To-Do's im Business so gut wie möglich vor Einsetzen meiner Periode abzuarbeiten, was für inneren Stress, Unruhe und ein knackiges Überstundenkonto sorgen sollte. Zwar fand ich somit eine vermeintliche Work-Perioden-Balance, doch was ich nicht fand, war eine Antwort, warum es mir so schlecht ging …
Inzwischen hatte ich eine neue Frauenärztin gefunden, der ich mich in mehreren Gesprächen anvertraute – nicht selten, ohne dabei die ein oder andere verzweifelte Träne zu vergießen, denn die Schmerzen dominierten inzwischen einen Teil meines Lebens und machten sich auch mit Blick auf meine Psyche bemerkbar. Heute weiß ich ehrlicherweise gar nicht mehr, was ich damals als schlimmer empfunden habe: die Schmerzen oder die Angst vor ihnen.
Happy End im Endo-Game? Fehlanzeige!
Zu gerne würde ich an dieser Stelle das Happy End einbauen, indem meine neue Ärztin meine Symptome als möglichen Indikator einer Endometriose verstand. So viel kann ich an dieser Stelle spoilern: Sie tat es nicht. Es vergingen noch Jahre, ehe die Behandlungen in Richtung Endometriose aufgenommen wurden. Was mir weiterhin während dieser langen Zeit blieb, waren Schmerzen, die mir zwischenzeitlich fast den Atem raubten und Monat für Monat dafür sorgten, dass Lebensqualität verloren ging und weitere Ängste kamen.
Über Endometriose wissen wir noch immer viel zu wenig. Was ich als Betroffene jedoch weiß ist, dass man Frauen, die an Symptomen leiden, unbedingt ernst nehmen muss. Denn wenn Regelschmerzen zum monatlichen Angstgegner werden oder nicht bzw. zu spät diagnostizierte Endometrioseherde unter Umständen dafür sorgen, dass ein Kinderwunsch unerfüllt bleibt, sprechen wir hier nicht einfach nur von „etwas stärkeren Schmerzen" während der Periode, sondern von einer ernstzunehmenden Erkrankung, die massive Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen hat.
Was ist Endometriose?
Bei Endometriose treten Zysten und Entzündungen (Endometrioseherde) auf, die sich z.B. an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell ansiedeln.
Endometriose ist eine weit verbreitete Krankheit, die mit starken Schmerzen einhergeht. Starker Menstruationsschmerz ist ein sehr häufiges Symptom. Jedoch können die Schmerzen zyklusabhängig und zyklusunabhängig auftreten. Endometriose kann im ganzen Körper Schmerzen verursachen. Die Folge von Endometrioseherden sind chronische Entzündungen, Vernarbungen und Verwachsungen, Blutungen in der Bauchhöhle und oftmals Infertilität. Bei etwa 40 bis 60% der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, steckt eine Endometriose dahinter.
Endometriose äußert sich sehr unterschiedlich, deshalb wird sie auch als "Chamäleon der Gynäkologie" bezeichnet. Manche Betroffene haben keine Schmerzen und auch keinen Behandlungsbedarf. Bei anderen wird eine Endometriose entdeckt, die laparoskopisch entfernt werden kann und danach treten keine weiteren Beschwerden auf. Leider trifft das nicht auf alle zu. Bei etwa der Hälfte der Patientinnen muss von einem dauerhaften Therapiebedarf ausgegangen werden. Endometriose hat eine hohe Rezidivrate, das heißt nach der Entfernung eines Herdes und/ oder einer Zyste können wieder neue entstehen.
Quelle: Endometriose-Vereinigung
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