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Ich will meine Brüste aber hässlich finden dürfen: Über #selflove in der Mama-Community
Seit ich Kinder habe, nein, eigentlich schon seit ich zum ersten Mal schwanger war, sieht mein Instagram-Feed anders aus als zuvor. Schließlich ist der Algorithmus immer darauf aus, mir das anzuzeigen, was mich interessiert. Nachdem ich also Hashtags wie #beckenendlage, #ehrlicheswochenbett oder #schreibaby gesucht habe, spült er mir zuverlässig Content zu, in dem es um das Muttersein und Kinderhaben in allen Facetten geht. Dafür liebe ich Instagram, denn dadurch bin ich auf zahlreiche Profile gestoßen, die über Themen schreiben, die mich betreffen. Doch eines schafft Insta nicht: die Inhalte danach zu filtern, ob sie meiner feministischen Einstellung entsprechen. Das beste Beispiel dafür sind Sharepics oder Captions, die mir erlauben oder mich dazu auffordern wollen, meinen Mamakörper so zu lieben, wie er ist. Da geht es dann darum, Dehnungsstreifen, Hängebrüste, Kaiserschnittnarben und Schwabbelbäuche zu zelebrieren. Cool, oder?
Das ist doch eine super Sache und total empowernd – so habe ich es meist im ersten Moment empfunden, doch ein komisches Gefühl blieb immer, wenn ich solche Posts und die Kommentare darunter gelesen habe. Ich fühle mich natürlich bestätigt und geschmeichelt, wenn mir suggeriert wird, dass alle meine körperlichen Features, die mit meinen erlebten Schwangerschaften und Geburten einhergehen ein Grund sind, stolz zu sein. Doch inzwischen weiß ich: Leider sind die meisten solcher Inhalte eine Mogelpackung. Wollt ihr wissen, warum?
Sie reproduzieren das Schönheitsideal, das sie vermeintlich aushebeln wollen
Wenn es nötig ist, so deutlich zu betonen, dass es wirklich absolut total ok ist, Narben, schlaffe Haut und Co. zu haben, liegt diesen Statements eigentlich eine Vorstellung von körperlicher Schönheit zu Grunde, die eben genau diese Merkmale verpönt. Oder schaffen wir es, an Schlabberbrüste zu denken, ohne als Gegenteil den Idealzustand von prallen, runden Barbiebrüsten mitzudenken? Wahrscheinlich nicht. Wenn es heißt: „Deine Dehnungsstreifen sind klasse ...“, schwingt immer auch mit „... aber ohne sie wärst du ein bisschen perfekter“. Wir sind unbewusst kulturell auf diese perfekten Körperbilder geprägt. Und es ist ein guter Schritt, allen Mut machen zu wollen, die nicht in das klassische Schönheitsideal passen – und das betrifft uns im Grunde genommen alle. Noch empowernder wäre es aber, wenn es gar keine einschränkenden Schönheitsideale mehr gäbe und damit alle körperlichen Merkmale, die Frau* haben kann, gleichwertig oder aber einfach piepegal wären.
Sie idealisieren Mutterschaft
Es gibt diese romantische Vorstellung vom Kinderkriegen, die mit der Realität meist nicht so viel zu tun hat. Viele Inhalte in den sozialen Medien reproduzieren diese verklärten Bilder. In dieser Vorstellung ist Mutterschaft die höchste Stufe des Frauseins, die wir erreichen können. Darüber gibt es nichts. Und deshalb haben wir gefälligst glücklich zu sein und beim Anblick unserer Babys – und unserer geschundenen Körper – selig zu lächeln. Doch wer selbst Kinder hat, sollte über solche Annahmen eigentlich entweder müde lächeln oder aber hysterisch kreischen. Denn Mutterschaft ist vieles, und oft auch vieles gleichzeitig, aber keinesfalls ausschließlich schön.
Aber da in der pastellfarbenen Social-Media-Mamiblase kein Raum für negative Aspekte des Mutterseins existiert, wird uns suggeriert, wir Mütter müssten alle stolz auf das sein, was unsere Körper geleistet haben und wie wir deshalb aussehen. Aus dieser Blase kommen die Sharepic-Mogelpackungen. Da heißt es dann, ich DARF einen Schwabbelbauch haben, weil ich zwei Kinder in meinem Bauch habe wachsen lassen. Na herzlichen Dank, das war auch wirklich kein Spaziergang. Und ich will auch gar nicht in Abrede stellen, dass es echt enorm ist, was der Körper während Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit leistet. Und doch will ich nicht, dass jemand über meine Leistungen und Erfahrungen urteilt oder mir vorgibt, wie ich mich damit zu fühlen habe. Ich will selbst bestimmen, ob ich meine Kaiserschnittnarbe schön finde oder nicht. Und ich will es auch einfach mal sch***e finden dürfen, wie meine Brüste aussehen.
Sie zeigen, dass Patriarchat und Kapitalismus Hand in Hand gehen
Es kommt bestimmt vielen bekannt vor: Bevor ich mir etwas gönnen darf, in diesem Fall das Herausfallen aus der Schönheitsnorm, muss ich erst etwas leisten, Output bringen – in diesem Fall meine Kinder. Ja, das ist das kapitalistische Leistungsprinzip, nachdem unsere Gesellschaft funktioniert.
Außerdem: Statt mich zu freuen, dass es mir in diesem Fall gnädigerweise gestattet ist, dem gängigen Schönheitsideal nicht zu entsprechen, fände ich es ja noch besser, wenn nicht hintenrum so gut wie alles am Muttersein von Nachteil für mich wäre. Denn die Leistung, die ich in Form meiner Kinder hervorgebracht habe, interessiert an anderen Stellen niemanden, etwa in Sachen Vereinbarkeit, Altersarmut und Gender Pay Gap. Oder wenn ich merke, wie kinder- und familienfeindlich unsere Gesellschaft an vielen Stellen ist. Das zeigt sich zum Beispiel ganz aktuell im Zuge der Corona-Pandemie, in der Eltern und Kinder an allen Ecken und Enden vergessen werden.
Sie sind alles andere als inklusiv
Irgendwie ist es ja logisch, dass alles, was unter #selflove läuft, gerade in der Mami-Community so gut funktioniert. Denn Schwangerschaften, (Fehl-)Geburten und das Leben mit Kind(ern) haben einfach einen riesigen Einfluss – auf körperlicher und psychischer Ebene. Beinahe jede Mutter fühlt sich von vermeintlich empowernden Botschaften angesprochen. Doch was ist mit all denen, die Narben, Schlabberbäuche und Hängebrüste haben, obwohl sie keine Mütter sind? Die durch Behinderung, Krankheit oder aber einfach das Leben an sich so aussehen, wie sie aussehen? Und da zeigt es sich ganz eindeutig: Wahre Gleichberechtigung kann nur dann entstehen, wenn wir aufhören, in wertenden Kategorien zu denken. Wenn wir zum Beispiel aufhören, die Features, die wir an Müttern ok finden, an Nicht-Müttern abstoßend zu finden. Mensch ist Mensch und darf aussehen, wie sie/er/es will, völlig egal, warum.
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