Neujahrskolumne

Entschuldigung, aber hat jemand meine Jahresvorsätze 2022 gesehen?

Was für ein wildes Jahr, halleluja! Bei euch auch? 2022 geht in meiner persönlichen Geschichte auf jeden Fall als das Jahr ein, in dem wirklich überhaupt nichts (mehr) zusammen passt. Als ich gerade in eine dringend benötigte Auszeit gehe, verliebe ich mich. Der Mann ist wundervoll, das Timing könnte besser sein. Mein Friseur und ich sind zur gleichen Zeit in einer Sinnkrise und verpassen mir erst einen blonden Kurzhaarschnitt, um einige Wochen später dann die Einwirkzeit meiner Haartönung zu überziehen während wir uns beim Rauchen verquatschen … Mit fast schwarzen Haaren stolpere ich durch einen Sommer, in dem nicht weniger als die Entscheidung ansteht, ob meine Tochter am Zürichsee oder an der Ostseeküste eingeschult wird. Und im Job passiert einfach gar nichts.

Alle Kolumnen von Resi findet ihr übrigens hier.

Nun sind die Weihnachtstage vorbei, ich sitze mit einem heißen Kaffee auf dem Fußboden neben dem Weihnachtsbaum und schmunzel beim Blick auf meine Vorsätze für dieses Jahr, wollte ich doch eigentlich nur mit meinem alten Mountain Bike bei einem gut aussehenden Arzt in der Notaufnahme landen, mir ein Bücherregal zulegen und viel Hühnersuppe essen. Zeitzeugen behaupten, ich habe meine Vorsätze bei weitem übertroffen!

"2022 ist sowieso das Jahr der kleinen Schritte. Meistens zwei Schritte vor, drei zurück. Irgendwie kriege ich mein Lebenstempo nicht erhört, ganz gleich wie gern ich möchte."

Den ersten Haken auf meiner Liste kann ich direkt im Frühjahr machen. Sollte jemand mal auf einer von mir bevorzugten Ostsee-Insel urlauben und sich währenddessen nicht wohl fühlen, kann ich euch auf jeden Fall eine Praxis empfehlen deren Arzt so aussieht als hätte er gerade beim Traumschiff angeheuert. Dort verquatsche ich mich tatsächlich so lange, dass eine Mitarbeiterin uns auf sein gut gefülltes Wartezimmer hinweisen muss. Wir flirten wirklich kein Stück, tauschen uns aber angeregt über unsere Kinder aus. Da ich Beschwerden im Brustbereich habe und wie so oft keinen BH trage, kommt es aber wenigstens noch zu einem leichten Schmunzeln hinter unseren FFP2-Masken und damit zu einem Haken auf meiner Liste mit den Jahresvorsätzen. Das Mountain Bike ersetzen wir an dieser Stelle einfach augenzwinkernd, aber realitätsnah durch einen unspektakulären Spaziergang am Meer.

2022 ist sowieso das Jahr der kleinen Schritte. Meistens zwei Schritte vor, drei zurück. Irgendwie kriege ich mein Lebenstempo nicht erhört, ganz gleich wie gern ich möchte. Der neue Mann an meiner Seite kommt da trotzdem nicht mit. Meine Entscheidungen gleichen dieses Jahr mehr einem aufgescheuchten Kaninchen, das über eine Wiese läuft und sehr viele Haken nach links und rechts schlägt. Nicht nur zur Verwirrung der anderen, in erster Linie auch zu meiner eigenen.

Meine Auszeit am Meer wird trotzdem wunderschön und allein diese zwei Monate ohne Alltag, dafür mit vielen neuen Erlebnissen wären schon eine Kolumne wert! Ich genieße jeden freien Moment mit meiner Tochter und treffe neben all den alten Nordlichtern auch ganz viele neue Freunde, die genauso gerne Hühnersuppe kochen wie ich. Meine Tochter macht ihr Seepferdchen in dem Schwimmbad, in dem auch ich schon mit meinem Großvater um die Wette geschwommen bin und nach unzähligen Fischbrötchen und frischen Brisen um unsere Nasen sitzen wir Ende April im Innenhof unserer Ferienwohnung und genießen ein kleines Konzert und all unsere Freunde um uns herum … es liegt ein bisschen Magie in der Luft.

"Irgendwie habe ich mein Leben lang immer gewusst, wer ich bin. Während andere in die Pubertät kamen, sich die Haare färbten und Punkrock hörten, blieb ich einfach ich. Bis 2022."

Über den Sommer versuche ich mir noch ein bisschen Narrenfreiheit aus dieser Auszeit zu erhalten, aber es fällt schwer. Irgendwie habe ich mein Leben lang immer gewusst, wer ich bin. Während andere in die Pubertät kamen, sich die Haare färbten und Punkrock hörten, blieb ich einfach ich. Bis 2022. In diesem Jahr passt einiges nicht zusammen, aber in erster Linie passe ich nicht mehr mit mir zusammen! Und das liegt nicht nur an den waghalsigen Entscheidungen beim Friseur. Letztlich kann ich es aber gar nicht an einem bestimmten Gefühl oder an einem Problem fest machen – alles an mir ruft so lange nach Veränderung bis ich wieder bei mir selbst angekommen bin …

Nun neigt sich dieses wilde Jahr dem Ende entgegen. Und passend zu den letzten Monaten hat auch diese Kolumne ein paar Anläufe gebraucht – immer mal wieder dachte ich: "Ach jetzt habe ich es!" Um dann doch noch einen Haken zu schlagen statt einen zu setzen … Meine Tochter ist inzwischen eingeschult und manchmal denke ich, ich bin im letzten Jahr erwachsen geworden, wer hätte das gedacht?! Auf jeden Fall und ganz unbestritten bin ich reifer geworden, mit einer neuen inneren Ruhe, die ich mir so lange gewünscht habe. 2022 bin ich irgendwie in mich selbst hinein gewachsen … Ich trage jetzt wieder meine Naturhaarfarbe und einen Pony und an den meisten Tagen fühle ich mich wieder wie ich selbst, ach, eigentlich noch ein bisschen cooler. Unabhängig davon, wie es im kommenden Jahr weiter geht, sehe ich beim Blick in den Spiegel mich, Resi. Und das ist sicherlich den dicksten Haken auf meiner Liste wert.

Einzig das Bücherregal und die Sache mit dem wundervollen Mann sind noch offen, oder? Naja, ich sollte ja noch ein paar gute Vorsätze für 2023 haben …

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