Dating Apps
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Mein Neustart mit Dating Apps – von Kopfkino, Klischees und Selbsterkenntnis

Vor fünf Jahren habe ich sämtliche Dating Apps von meinem Handy verbannt und seitdem den klaren Standpunkt vertreten, nur noch in der realen Welt zu daten. 
Nachdem meine letzte reale Erfahrung allerdings auch in Herzschmerz endete, steht meine Entscheidung: Ich gebe Dating Apps eine zweite Chance. Aber wie fängt man das Online Dating wieder an, wenn das Konzept einen noch genauso wenig begeistert wie vor fünf Jahren? Und woher weiß ich eigentlich, ob ein Match wirklich ein Match ist? Oder ob ich wirklich bereit bin, wieder zu daten? Bevor ich mir also die Apps installiere, mache ich das, was jeder vernünftige Mensch tun würde und frage meine Dating-App-erprobten Freundinnen nach Tipps und Erfahrungen.

"Plötzlich ist es soweit und ich bin mittendrin im Swipe-Game. Es ist, als hätte jemand die gute alte Klischeekiste aufgemacht: Da kämpfe ich seit Jahren gegen die Schubladen in meinem Kopf, um aufs Wesentliche statt aufs Äußere zu schauen, und dann kommt eine Dating App um die Ecke und verlangt mir innerhalb von Sekunden Entscheidungen ab, die wohl oberflächlicher nicht sein könnten."

Es sei etwas stressig gewesen, zwei Männer zu daten, die sich kennen, sagt eine Freundin, das sollte ich lieber lassen, und ich freue mich über den ersten Tipp, den ich umsetzen kann. So viel habe sich in den Jahren gar nicht geändert, zumindest, wenn eine Cis-Frau vorrangig Männer datet, sagt die andere Freundin. Da draußen laufen immer noch viele Idioten herum, erklärt sie, es wird geghosted, gelogen, Egos werden aufgeplustert und anzügliche Nachrichten geschrieben – also ganz genauso wie in der realen Datingwelt, finde ich.
Das Beste sei, wenn ich ganz locker und ohne Druck an die Sache rangehe.
Keine einfache Aufgabe für mich, wo ich sonst bei der kleinsten Gefühlsregung die Hochzeitsglocken läuten höre - aber gut, ohne Druck klingt nach einem Plan.

Hilfe, ich öffne die Büchse der Klischees

Ehrlich gesagt fühle ich mich ein bisschen wie damals in der Schule, als die Lehrer ihre unangekündigten Tests im Chemieunterricht ausgeteilt haben: trotz der Hilfe meiner Freundinnen völlig unvorbereitet und planlos.
Nicht nur, dass ich entscheiden muss, welche App die richtige für mich ist (ich wähle Hinge), vielmehr darf ich mir bei der Einrichtung des Dating Profils auch die Frage stellen, welche Fotos mich am authentischsten zeigen, nur bitte nicht zu authentisch, aber auch nicht zu aufgesetzt. Und was schreibe ich in die vorgesehenen Textfelder? 
Es ist gar keine einfache Aufgabe, einen Auszug der eigenen Persönlichkeit mit wenigen Informationen auf den Punkt zu bringen. Locker angehen, erinnere ich mich, und arbeite mich Schritt für Schritt vor.

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Plötzlich ist es soweit und ich bin mittendrin im Swipe-Game. Es ist, als hätte jemand die gute alte Klischeekiste aufgemacht: Da kämpfe ich seit Jahren gegen die Schubladen in meinem Kopf, um aufs Wesentliche statt aufs Äußere zu schauen, und dann kommt eine Dating App um die Ecke und verlangt mir innerhalb von Sekunden Entscheidungen ab, die wohl oberflächlicher nicht sein könnten. 
Nahaufnahmen und Fitness-Selfies fremder Menschen lachen mich an, die allesamt etwas über sich mitzuteilen haben und mich teilweise halbbekleidet auffordern, ihre Herzen zu erobern indem ich, bitteschön, a) fließend Sarkasmus spreche, b) eine tolle Lasagne koche, c) mich selbst nicht so ernst nehme und d) von Anfang an ehrlich sein und rein gar nichts verschweigen möge. Achja, und oberflächlich soll ich, wenn‘s geht, auch nicht sein. 
Dann gibt es da die selbst ernannten Party-Verrückten und die, die schamlos auf ihr Profil schreiben, sie seien auf der Suche nach einer femininen, attraktiven Frau, dem Yin zu ihrem Yang, und, – ja, schon wieder – einer Frau, die „hoffentlich gut kochen kann“. 
Letzteres begegnet mir überraschend oft. Hello again, 1960?! Danke, aber nein danke.

Ist das passende Match eine Frage der Geduld?

Also gut. Was ich nicht will, scheint klar zu sein. Aber wonach genau suche ich eigentlich? 
Dass es mir nicht um Alter oder Job geht, sondern um weniger greifbare Dinge, wie etwa die Einstellung zum Leben, darum, wie jemand mit Herausforderungen umgeht, weiß ich schon.
Aber woran mache ich das fest?
Vielleicht sollte ich nach weniger offensichtlichen Dingen Ausschau halten.
In der zweiten Runde suche also ich nach Wärme, nach etwas, das mir sympathisch ist, in Gesichtern, in Worten, im Gesamtbild – und es funktioniert: Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, rollen fast augenblicklich die ersten Matches rein, die auch mir gefallen. Geht doch.
Manche Unterhaltungen gehen über mehrere Tage, manche lösche ich schnell wieder.
So langsam bekomme ich ein besseres Gefühl dafür, was für mich passt und was nicht.
So geht es weiter, jeden Tag bunte Swiperei und nette Konversationen, aber ehrlich gesagt ist da nichts, was mich neugierig auf ein offline Treffen macht (oder mein Kopfkino anschmeißt). Das einzige, was passiert, ist, dass ich beginne, alles mit meiner Ex-Beziehung zu vergleichen – immer eine grandiose Idee, wenn man genau über diese hinwegkommen will.
Vielleicht brauche ich nur etwas Geduld. Vielleicht bin ich auch einfach noch nicht bereit, wieder ernsthaft zu daten.
Gerade, als ich die Online-Swiperei nach weniger als zwei Wochen für beendet erklären möchte, ist es da: ein neues Match. Er bringt mich schon im ersten Satz zum Lachen. Sein Profil wirkt sympathisch, warm, echt. Wir steigen direkt ein in die Diskussion, streiten scherzhaft über Pizza und Drinks, das Gespräch fließt und es ist fast schon zu einfach. 
Das erste Match, das richtiges Interesse in mir weckt. Während ich eben noch an meiner generellen Dating-Bereitschaft gezweifelt habe, werfen wir uns jetzt vor meinem inneren Auge bereits verliebte Blicke über Pizza und Wein zu.
Könnte da doch was dran sein, an der Sache mit dem Online Dating …? 
Und dann, gerade als ich beginne, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, schreibt er plötzlich nicht mehr. Von heute auf morgen. Das mit dem ‚locker angehen‘ sollte ich nochmal üben.

Ich swipe weiter, doch nach dem letzten Match kann ich mir nicht vorstellen, einen Glückstreffer zu landen und jemanden wirklich hier kennenzulernen.
Aber vielleicht ist das mit dem Online Dating wie mit dem Schreiben: Es geht nicht darum, beim ersten Versuch einen Volltreffer zu landen, sondern darum, immer weiterzumachen und dazuzulernen. Es geht um den Prozess, ohne das Ergebnis vorherbestimmen zu wollen. 
Wenn ich so nachdenke, ist es auch voll okay, dass es bisher zu keinem Date gekommen ist.
Schließlich brauche ich keinen Mann, um mir einen guten Abend bei Pizza und Wein zu gönnen, und die verliebten Blicke kann ich dem Protagonisten meiner Lieblingsserie zuwerfen. Oder meinem Spiegelbild.
Die App lasse ich dabei aber auf meinem Handy geöffnet. Nur für den Fall.

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