Endometriose

Gastbeitrag || Endometriose: Vom langen Weg zur Diagnose, körperlichen und mentalen Schmerzen sowie dem unerfüllten Kinderwunsch

Das Thema rund um Endometriose und Adenomyose ist in den vergangenen Jahren eine echte Herzensangelegenheit für mich geworden. Denn auch bei mir ist vor einigen Jahren im Rahmen einer Bauchspiegelung Endometriose diagnostiziert worden. Für mich bedeutete die Diagnose damals vieles: Zum einen, dass mir möglicherweise endlich geholfen und den physisch wie psychisch belastenden Schmerzen vielleicht endlich der Kampf angesagt werden könne. Zum anderen, dass ich die Gewissheit hatte, dass ich mir all das nicht einbilde. All die Schmerzen. Die Ängste in den Tagen vor meiner Periode. Das Bewusstsein, dass mit meinen Körper etwas nicht in Ordnung war …

Erkrankungen wie Endometriose sind auch im Jahr 2021 für viele Menschen ein vollkommen neues Feld. Viele Betroffene haben noch nie zuvor etwas von der Krankheit gehört, dabei leiden 10 bis 15 Prozent der Frauen an ihr – oftmals, ohne es zu wissen. Denn Regelschmerzen werden auch heute noch häufig als normal angesehen. Als etwas, das nun einmal zum weiblichen Zyklus dazu gehört. Dass diese Schmerzen aber teilweise so stark sind, dass sie zur körperlichen und mentalen Belastung werden, stellt für viele Menschen ein Tabuthema dar.

Via Instagram haben wir euch kürzlich darum gebeten, uns eure Endometriose-Geschichten zu erzählen. Julia (27) hat sich daraufhin bei uns gemeldet und uns berichtet, wie die Endometriose ihr Leben beeinflusst – nicht nur in körperlicher Hinsicht. Ihre Geschichte möchten wir euch hier gerne erzählen, denn Julia möchte mit ihrer Offenheit vor allem eines erreichen: anderen Betroffenen Mut zu machen, offen und ehrlich über die Erkrankung zu sprechen, an der so viele von uns leiden.

Danke für deine offenen Worte, Julia!

"Ich stand weinend im Wartebereich und konnte kaum stehen"

Mir ist es wichtig, dass die Gesellschaft über das chronische Krankheitsbild Endometriose sowie Adenomyose aufgeklärt wird. Denn Regelschmerzen sind definitiv nicht normal!

Der Weg zu meiner Diagnose war wie für so viele Betroffene steinig und schwer. Relativ früh fingen meine ersten Symptome an. Meine ersten Regelblutungen waren von Fieber, Kreislaufproblemen, Verdauungsbeschwerden und sehr starken Schmerzen geprägt. Als Wundermittel wurde mir die Pille angepriesen, welche natürlich auch meine lästige Akne vernichten sollte.

Die Anti-Babypille nahm ich viele Jahre ein. Unter der Einnahme nahm ich tatsächlich weniger von der Symptomatik wahr. Dafür wurden meine Magen-Darm-Beschwerden von Jahr zu Jahr gravierender. Also folgten erste Untersuchungen wie Magenspiegelung, Darmspiegelung, Diätvorschläge wie wochenlange Schonkost, Anti Pilz Diät und viele mehr …

Linderung verschafften mir sämtliche Medikamente, Untersuchungen, Diäten und Vorschläge leider nicht. Somit wurde ich von Arzt zu Arzt geschickt, jedes Mal ohne Befund.

Dadurch, dass ich die Anti-Babypille vor einigen Jahren nicht mehr vertragen habe, setze ich diese ab. Denn komischerweise fühlte ich mich in der monatlichen Pillenpause viel besser. Somit stand der Entschluss fest. Schluss mit der Pille. Dafür wurden sämtliche andere Symptomatiken wieder gravierender und schränkten mich sehr in meinem Alltag ein. Ich wurde so schlapp, dass ich teilweise mittags ein Mittagsschläfchen von bis zu drei Stunden einlegen musste, weil ich einfach keine Kraft mehr hatte. Von „Kleinigkeiten“ wie Wäsche waschen oder den Wocheneinkauf war ich teilweise so erschöpft, dass ich mich immer wieder gefragt habe. „Julia, was zum Teufel ist los mit Dir …?“

„Kann es sein, dass Sie einfach empfindlich sind?“, „Viele Frauen haben mit Psychosomatik zu kämpfen, vielleicht bilden Sie sich die Schmerzen einfach ein?“, „Nehmen Sie doch einfach eine Ibu und gut ist.“ – Eine Ibu? An schlimmen Tagen nahm ich Ibuprofen, wie manche abends Gummibärchen zum Abend- Film …

In meinem Studium spitze sich die Lage dann allmählich zu. Ich hatte fast täglich Schmerzen und war so ausgelaugt, dass ich die Doppelbelastung zwischen Vollzeit Studium und meinem Nebenjob nicht mehr hinbekommen habe. Somit exmatrikulierte ich mich schweren Herzens. Und arbeitete wieder in meinem alten Beruf. Mir ging es nur leider nicht besser. Der Stress wurde zwar weniger und ich hatte mehr Zeit mir eine Auszeit zu gönnen, aber körperlich ging es mir so schlecht wie noch nie zuvor.

Kein Arzt wusste zu helfen. Dafür bekam ich Ratschläge und Aussage um die Ohren wie „Kann es sein, dass Sie einfach empfindlich sind?“, „Viele Frauen haben mit Psychosomatik zu kämpfen, vielleicht bilden Sie sich die Schmerzen einfach ein?“, „Nehmen Sie doch einfach eine Ibu und gut ist.“ – Eine Ibu? An schlimmen Tagen nahm ich Ibuprofen, wie manche abends Gummibärchen zum Abend- Film …

Eines Nachts wurde ich von solchen starken Schmerzen geweckt, dass ich es nicht einmal geschafft habe aufzustehen und mir etwas zu trinken zu holen. Den nächsten Morgen wollte ich eine andere Gynäkologin aufsuchen, in der Hoffnung das sie mir weiterhelfen kann. Denn für mich war klar – das ist nie im Leben normal! Annehmen wollte mich die Ärztin nicht. Ich stand weinend im Wartebereich und konnte kaum stehen. Der Vorschlag ihrerseits war: „Ich denke Sie haben eine Blasenentzündung, ich kann Ihnen ein Antibiotikum aufschreiben.“

Weitere drei Jahre vergingen – ohne Diagnose und ohne Hilfe

Das Wartezimmer war leer…Ich blieb also und bestand darauf, dass die Ärztin mich untersucht, denn den Zusammenhang mit der Blasenentzündung war für mich absurd. Erst einmal kamen andere Patienten dran, die erst viel später die Praxis betreten haben. Nach ca. zwei Stunden wurde ich endlich untersucht. Schnell war klar, dass es keine Blasenentzündung ist. Ich hatte viel freie Flüssigkeit mit Blut gemischt im Bauchraum und mein linker Eierstock war in sich zusammengefallen. Eine Zyste muss geplatzt sein. Ich wurde ins nächste Krankenhaus überwiesen.

Dort wurde ich direkt stationär aufgenommen. Am nächsten morgen sollte eine Laparoskopie erfolgen, um sich den Bauchraum genau anzusehen. Am nächsten Morgen wurde der Eingriff auf den nächsten Tag verschoben. Schlussendlich wurde ich ohne Bauchspiegelung entlassen, denn laut der Ärztin verschwindet die freie Flüssigkeit im Bauchraum von selbst nach einiger Zeit und der Eierstock wird sich schon erholen.

"Meine Bauchschmerzen waren auf einem Höchstlevel, mein Bauch sah häufig aus, als hätte ich eine Wassermelone verschluckt. Tatsächlich wurde ich mal in einem Geschäft, in dem ich für meinen kleinen Neffen einkaufen wollte, angesprochen, wann mein Entbindungstermin sei"

Es vergingen noch einmal drei Jahre, ohne Diagnose und ohne Hilfe.

Der Kinderwunsch setzte ein. Und nach gut einem Jahr fragte ich mich „Nanu … müsste es in meinem zarten Alter nicht relativ schnell klappen?“ Meine Gynäkologin sah es recht entspannt und meinte, ich solle mich mal entspannen.

Meine Bauchschmerzen waren auf einem Höchstlevel, mein Bauch sah häufig aus, als hätte ich eine Wassermelone verschluckt. Tatsächlich wurde ich mal in einem Geschäft, in dem ich für meinen kleinen Neffen einkaufen wollte, angesprochen, wann mein Entbindungstermin sei. Ich brauche jetzt hier niemanden erklären, dass dies ziemlich verletzend ist, wenn man zu den Frauen gehört, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben.

Nach einiger Zeit wurde dann auch meiner Gynäkologin bewusst, dass man hier mal nach der Ursache forschen müsste. Eine Bauchspiegelung mit Gebärmutterspiegelung wurde veranlasst.

Hört auf euch und fordert Hilfe ein!

Der Tag der Tage kam. 14.Februar 2020, der Tag an dem ich nach über 14 Jahren meine Diagnose erhielt. So recht konnte ich mit dem Krankheitsbild nichts anfangen. Ich informierte mich und lies Bücher anderer Betroffenen. Mich beschäftigte die Aussage des Operateurs. „Versuchen Sie bitte ein halbes Jahr lang schwanger zu werden, sollte es nicht klappen müssen Sie sich noch einmal operieren lassen, wir konnten nicht alles entfernen auf so einem ausgeprägten Befund waren wir nicht vorbereitet“. Also war es nicht in meinem Kopf. Ich bildete mir meine Schmerzen nicht ein, es ist nicht psychosomatisch und ich bin weder empfindlich noch übertreibe ich…

Leider klappte es in dieser Zeit mit dem Kinderwunsch nicht. Im vergangenen Dezember 2020 wurde ich zum zweiten Mal operiert: Ausgedehnte tiefinfiltrierte Endometriose, Adenomyose, eingeblutete Lymphknoten, Tumor zwischen Darm und Scheidenwand. Alles konnte zum Glück erfolgreich entfernt werden.

Ich möchte anderen Frauen Mut machen, die Warnsignale ihres Körpers ernst zu nehmen. Schmerzen sind in keiner Form normal. Sie sind immer Boten, dass etwas nicht in Ordnung ist. Hört auf euch und fordert Hilfe ein. Sollte der Verdacht im Raum stehen, sucht bitte immer ein Endometriose Zentrum auf. Denn die Endometriose ist ein komplexes Krankheitsbild, welches in die Hände eines Spezialisten bedarf.

Was ist Endometriose?

Bei Endometriose treten Zysten und Entzündungen (Endometrioseherde) auf, die sich z.B. an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell ansiedeln.

Endometriose ist eine weit verbreitete Krankheit, die mit starken Schmerzen einhergeht. Starker Menstruationsschmerz ist ein sehr häufiges Symptom. Jedoch können die Schmerzen zyklusabhängig und zyklusunabhängig auftreten. Endometriose kann im ganzen Körper Schmerzen verursachen. Die Folge von Endometrioseherden sind chronische Entzündungen, Vernarbungen und Verwachsungen, Blutungen in der Bauchhöhle und oftmals Infertilität. Bei etwa 40 bis 60% der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, steckt eine Endometriose dahinter.

Endometriose äußert sich sehr unterschiedlich, deshalb wird sie auch als "Chamäleon der Gynäkologie" bezeichnet. Manche Betroffene haben keine Schmerzen und auch keinen Behandlungsbedarf. Bei anderen wird eine Endometriose entdeckt, die laparoskopisch entfernt werden kann und danach treten keine weiteren Beschwerden auf. Leider trifft das nicht auf alle zu. Bei etwa der Hälfte der Patientinnen muss von einem dauerhaften Therapiebedarf ausgegangen werden. Endometriose hat eine hohe Rezidivrate, das heißt nach der Entfernung eines Herdes und/ oder einer Zyste können wieder neue entstehen.

Quelle: Endometriose-Vereinigung

Gefällt dir? Dann sag's weiter: