Interview Shari Who Feminismus Musikbranche
Foto: Jonas Gödde

5 Fragen an DJ Shari Who: „Zwar hat der Feminismus auch die Musikbranche erreicht, aber er ist leider noch sehr weiß“

Von den Charts bis hin zu Festivals und ihren Line-ups – wir müssen kein:e Expert:in sein, um zu erkennen: Die Musikbranche ist männlich. Shari Hosseini aka Shari Who ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Hamburger Club- und Musikszene will nicht nur Safe Spaces schaffen, sondern setzt sich außerdem für mehr Sicht- und Hörbarkeit von Female Artists ein. Wie sie das macht, welche individuelle Form von Feminismus sie lebt und welche Stolperfallen es besonders für weibliche Acts in der Musikbranche gibt, hat sie uns im Interview erklärt.

Danke für deine inspirierenden Worte, liebe Shari!

Liebe Shari, wer bist du und was machst du?

Ich bin Creative Music Strategist für Brands und Labels, die ihre Kampagnen/Storys aufwerten und mit Musik und Künstler:innen Impulse setzen und ein Momentum kreieren wollen. Aber viele kennen mich auch als DJ, wenn ich meiner größten Leidenschaft nachgehe und auflege. Somit bin ich vertraut mit beiden Seiten: POV of artist and industry.

Was bedeutet Feminismus für dich und wie lebst du ihn aus?

Mein Feminismus ist intersektional und inklusiv. Das bedeutet, dass ich mir darüber endlich einen safe space kreieren kann, nach dem ich mich Jahrzehnte gesehnt habe. Einen Raum, in dem ich die Möglichkeit habe, Sichtbarkeit und Inklusion zu schaffen für FLINTA*s und vor allem aber auch Respekt vor den traumatischen Erfahrungen, die jede einzelne Person durchlebt hat.
Es gibt aber auch leider viele Beispiele für Feminismus, den ich absolut nicht vertrete: Terre de Femme setzt sich für viele gute und wichtige Themen ein, doch dann rufen sie plötzlich zu einem Kopftuch-Verbot an Schulen aus. Sie sind damit verfassungswidrig und somit gegen die Religionsfreiheit in Deutschland. Da stehe ich manchmal dar und kann nur mit dem Kopf schütteln.

Du bist sowohl als DJ als auch als Beraterin seit Jahren in der Musikbranche tätig. Welche Stolperfallen für vor allem weibliche Acts begegnen dir in der Branche immer wieder?

Fourth-Wave Feminism ist in der Musik-Branche leider nicht so beliebt. Zwar hat der Feminismus auch die Musikbranche erreicht, aber er ist leider noch sehr weiß. Es gibt glücklicherweise einen größeren Push für Female Acts und auch eine größere Awareness für die Gaps in der Branche, aber bisher läuft es immer noch so, wie die weiß gelesenen cis-Männer (und -Frauen) es gerne hätten. Bedeutet: Ich sehe viele Künstlerinnen, aber sie sind häufig umzingelt von Männern in ihrem Team, die diese Bewegung als „Trend“ bezeichnen. Parallel noch schlimmer: Mir wird übel, wenn ich daran denke, wieviele Labels und Managements den Sexismus und Rassismus ihrer Artist tolerieren und unter den Teppich kehren.
Und dennoch werden die bestraft, die Haltung zeigen. Ich erlebe es seit Jahren selbst und sehe es auch bei anderen FLINTA*-Künstlerinnen: Wenn du zu politisch oder kritisch wirst in deinen Äußerungen, wirst du schnell in eine Schublade gesteckt oder sogar abgeschrieben. Dabei war es doch so häufig Musik als Kunstform, welche die Geschichte der Menschen immer wieder neu erzählen konnte.

Wie würdest du Female Acts mehr Hör- und Sichtbarkeit verleihen?

Indem ich von ihnen rede. Ob mit Freund:innen, oder beim Job oder auf Social Media. Wenn ich meine Sets kuratiere oder, wie hier, interviewt werde. Ich mache selten Mixtapes, weil mir oft die Zeit dazu fehlt, aber das letzte bestand ausschließlich aus Female Artists und einem Tribute to Janet Jackson. Representation matters, aber manchmal reicht es nicht, einfach mich irgendwo zu zeigen, sondern es ist wichtig, dass es kommuniziert und Teil meiner täglichen Arbeit wird.

Welche persönlichen Herzensthemen würdest du gerne laut in die Welt hinausschreien, damit die Menschen (mehr) auf sie aufmerksam werden?

Oh, so viele. Ich wünsche mir, dass wir die Pandemie nicht verdrängen, sondern eben das als Anlass nehmen, die systemrelevanten Berufe und ganz besonders die Care-Arbeit besser entlohnen. Ich selbst habe eine pflegebedürftige Mutter, die Zuhause gepflegt wird und pflegende Angehörige wurden und werden immer noch extrem alleingelassen.
Was oft als ein Herzensthema interpretiert wird, möchte an dieser Stelle betonen, ist für viele leider unausweichlicher Alltag und weniger eine Herzensangelegenheit: Diskriminierung (Rassismus, Sexismus, Klassizismus, Ableimus, etc.). Was für mich aktuell in meinem Prozess ganz spannend ist – und ja, es ist ein Prozess, denn wir haben alle internalisierte Diskriminierungen verankert im Mindset –, dass ich meine Mutter noch mal ganz anders wertschätzen kann. Viel häufiger bedanke ich mich bei ihr für ihr Durchhaltevermögen. Was sie alles in Kauf genommen und was alles auf ihren Schulter gelastet hat, als sie damals mit meiner Familie als iranische Muslima nach Deutschland geflohen ist, ist für unsere Generation bzw für die Gen Z. (Thank God) unvorstellbar.

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