Leben als Autorin
ivelinradkov via canva

Meine Vorstellung vom Autorinnendasein – und die Realität

Ich schreibe seit sechs Jahren mit dem Ziel, veröffentlichte Autorin zu werden, und wenn ich in dieser Zeit eins über das Schreiben gelernt habe, dann das hier: Es kommt immer anders, als man denkt.
Die Vorstellung, ganz Carrie-Bradshaw-esque meine Tage mit nichts als dem Geruch von frisch gemahlenem Kaffee, dem klackernden Geräusch meiner Finger auf der Tastatur und Shoppingdates mit Freund*innen (idealerweise gefolgt von Dinnerdates mit attraktiven Männern) zu füllen, musste ich schneller loslassen, als mir lieb war, wie viele andere Vorstellungen vom Autorinnenleben. Dafür – wie in jeder guten Geschichte – habe ich aber viel dazugewonnen: einen Haufen zu korrigierender Texte, Millionen neuer ToDos – und eine Menge Chaos.

"Manchmal schreibe ich Seiten über Seiten, nur um sie danach unter Tränen und mit gerauften Haaren in den virtuellen Papierkorb zu befördern. Die Idee, ‚einfach‘ ein Buch – oder auch nur eine kurze Kolumne zu schreiben – ist der Erkenntnis gewichen, dass der Schreibprozess alles andere als ein Spaziergang ist."

Meine Notizapp enthält 945 Notizen. Neunhundertfünfundvierzig – meine unzähligen Word-Entwürfe und handschriftlichen Notizbücher nicht eingerechnet. An Ideen und Kreativität mangelt es also nicht. Aber ich durfte auf die harte Tour lernen, dass übersprudelnde Kreativität nicht immer bedeutet, die Ideen auch umsetzen zu können. Manchmal sitze ich stundenlang vor dem blinkenden Cursor, nur um das Dokument am Ende noch leerer zu schließen, als ich es geöffnet habe – dafür mit einer großen Ladung Wut und Selbstvorwürfen im Bauch.
Manchmal schreibe ich Seiten über Seiten, nur um sie danach unter Tränen und mit gerauften Haaren in den virtuellen Papierkorb zu befördern. Die Idee, ‚einfach‘ ein Buch – oder auch nur eine kurze Kolumne zu schreiben – ist der Erkenntnis gewichen, dass der Schreibprozess alles andere als ein Spaziergang ist.
Er ist chaotisch, messy, ernüchternd und allzu oft auch niederschmetternd. Wieso krieg ich das einfach nicht hin, wie ich will? Bin ich zu doof?
Sagen wir es so: Bekäme ich zehn Cent für jedes Mal, wenn mir diese Fragen durch den Kopf gehen, wäre ich morgen Millionärin (vielleicht der smartere Weg, als es weiter mit dem Schreiben zu versuchen).

"Doch auch wenn ich noch so verzweifelt zwischen all meinen Papierstapeln und Notizen sitze und meinen Laptop aus Leibeskräften anschreie: Ich kann nicht aufgeben. Ich kann’s einfach nicht. Weil ich das Schreiben brauche, und zwar ganz für mich.
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Als ich mich damals entschied, das schriftstellerische Standbein aufzubauen, war ich überzeugt davon, jede noch so kleine Schwierigkeit in Nullkommmanichts überwinden zu können: Andere Schriftstellerinnen mochten vielleicht mit Blockaden und Widerständen kämpfen – ich nicht! Bei mir würden die Worte nur so fließen, sobald ich mich zum Schreiben hinsetzte, und zwar durch reine Willenskraft. Meine ersten Kolumnen würden ein Millionenpublikum begeistern; genau wie mein Roman, der im ersten Jahr raketenartig durch die Decke schießen würde!

Ha, haha!

Dabei habe ich echt nicht kommen sehen, dass mir mehr Deadlines um die Ohren fliegen würden als Ideen in meiner Notizapp. Oder all die Arbeit, die neben dem eigentlichen Schreiben ansteht: Korrekturen, Exposés anfertigen, technischer Aufbau und Instandhaltung des Blogs, Social Media Präsenz – und: Scheitern, Aufstehen, Scheitern, wieder Aufstehen. Sich immer wieder aufzuraffen nach geplatzten Verlagsdeals und zum unzähligen Mal verschobener Veröffentlichungstermine, ausbleibender Leserschaft und finanziellem Erfolg – all das neben meiner eigentlichen Arbeit – wirkt sich stärker auf meine Kreativität und mentale Gesundheit aus, als ich wahrhaben möchte.
Dieses Festhalten am Schreiben macht mir das Leben oft schwerer, als es sein müsste. Da kann ich verstehen, dass viele Menschen in meinem Umfeld ihren Glauben an mich aufgegeben haben und nur darauf warten, ich möge endlich wieder zu Verstand kommen.

Doch auch wenn ich noch so verzweifelt zwischen all meinen Papierstapeln und Notizen sitze und meinen Laptop aus Leibeskräften anschreie: Ich kann nicht aufgeben. Ich kann’s einfach nicht. Weil ich das Schreiben brauche, und zwar ganz für mich.
 Natürlich träume ich davon, viele Bücher zu verkaufen und das Schreiben irgendwann zu meinem Vollzeitjob zu machen – und ich weiß, dieser Tag wird kommen. Aber selbst, wenn all das ausbleibt, werde ich nicht aufhören, zu schreiben. Weil es gar nicht mehr ums Schreiben allein geht, sondern um mich, und um die Art, wie ich die Dinge erlebe, seitdem ich schreibe.

Schreiben hilft mir, meine Welt zu verarbeiten. Dort kann ich mich ausdrücken – den tiefsten Teil von mir, der im echten Leben keinen Platz hat. Zu schreiben fühlt sich für mich an, als würde ich im tiefblauen Meer schwimmen und gleichzeitig weit oben am Horizont schweben – Weite, Freiheit, Atmen.
 Das Schreiben hat mich an die schönsten Orte und zu den besondersten Menschen geführt: nach Griechenland, Kanada und London, zur Liebe meines Lebens und wunderschönen Freundschaften über all diese Orte verstreut. Das Schreiben hat mir auch gezeigt, was es bedeutet, loszulassen: Vorstellungen, Menschen, Situationen. Ich darf mit den wundervollsten Menschen zusammenarbeiten, und die Kreativität hat mein Herz für die Kunst in Filmen, Büchern, Lyrik und Musik weiter geöffnet als je zuvor.

"Ich glaube, das Schreiben ist eine Art Portal zu meiner inneren Welt und eigentlich ist es ein Wunder, dass ich so lange gebraucht habe, um es zu finden. Denn einen Hang zur Überdramatik – ob im echten Leben oder auf dem Papier – hatte ich schon immer."

Früher dachte ich, ich will einfach nur Autorin werden, um zu schreiben. 
Aber jetzt weiß ich, ich schreibe, weil es mir zu leben hilft.
Ja, das Schreiben bringt mich oft an meine physischen und mentalen Grenzen. Und vielleicht ist da auch eine riesige Angst, wirklich rauszugehen mit meinen Texten und Büchern, wirklich sichtbar zu werden. Weil ich glaube, dann diese Freiheit und den Blick für die Magie in meinem Alltag zu verlieren; weil ich glaube, den Druck nicht aushalten zu können, ständig liefern zu müssen.
Aber es bringt mich vor allem zurück zu mir selbst. 
Denn wenn ich wirklich mal alles fließen lasse – wie diesen Text – bin ich oft überrascht von dem, was dabei rauskommt. Ich fühle mich dann leichter, aufgeräumter, mehr im Hier und Jetzt. Ich glaube, das Schreiben ist eine Art Portal zu meiner inneren Welt und eigentlich ist es ein Wunder, dass ich so lange gebraucht habe, um es zu finden. Denn einen Hang zur Überdramatik – ob im echten Leben oder auf dem Papier – hatte ich schon immer.
Das ist der Grund, wieso es am Ende völlig egal ist, ob sich meine Vorstellungen – oder die der anderen – erfüllen. Mal ehrlich: Wer will schon das Leben einer Carrie Bradshaw, wenn man sein eigenes voll ausschöpfen kann?

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