KoolShooters via Pexels/Screenshot YouTube
23 Jahre Bridget Jones – wie relevant ist ‚Schokolade zum Frühstück‘?
Das Erste, was mir heute an Bridget Jones auffällt, ist, dass Thirty-Somethings vor zwanzig Jahren viel älter waren als Thirty-Somethings heute. Das Zweite ist dieser grelle gelbe Banner, der mir beim Googlen entsprechender Filmkritiken entgegenspringt und schreit: „DIESER ARTIKEL IST ÄLTER ALS 23 JAHRE!“ Ich meine, ich wusste, dass Bridget Jones alt ist. Aber, holy shit, DREI-UND-ZWANZIG? Das Internet weiß, wie man einer Frau (k)ein Kompliment macht … Das Dritte ist, wie lässig ich Bridget schon in der Anfangsszene finde, als sie sich am Neujahrstag im roten Schlafanzug zu Hause auf dem Sofa zu ‚All by myself‘ betrinkt – und das nicht etwa, weil ich gerade selbst im roten Schlafanzug auf dem Sofa sitze und Wein trinke. Tue ich nämlich nicht. Mein Schlafanzug ist grün, und ich sitze auf dem Bett.
Neujahr steht (schon wieder) vor der Tür, ebenso die dritte Fortsetzung von unserer allerliebsten Chaos-Queen Bridget Jones, und weil wir aktuell wohl alle den ein oder anderen Lacher gut gebrauchen können, habe ich mich der selbstlosen Aufgabe gestellt, Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück anzugucken und aus heutiger Sicht zu bewerten.
Um ehrlich zu sein, habe ich den Film das letzte Mal irgendwann in meinen Zwanzigern gesehen, also so vor ca. 12–15 Jahren, und ich kann mich an nicht mehr viel erinnern, außer an einen unfassbar sexy Hugh Grant alias Daniel Cleaver. Und siehe da, auch heute ist er das noch, also sexy in seiner britischen Arroganz – bis er’s irgendwie nicht mehr ist, und der Punkt kommt sogar relativ schnell: Die Emails, die er Bridget im Büro schreibt, kann ich gerade noch so verkraften, auch wenn ich diese Szene kopfschüttelnd ansehe und mich dabei ganz fühle wie meine wunderbare, 97-jährige Großmutter: Das würd’s heute so nicht mehr geben.
Es ist vor allem der Po-Grabscher im Fahrstuhl, der mich aus meiner Schwärmerei bringt, und einmal raus aus dem Daniel-Fanclub, gibt’s leider kein Zurück mehr. Plötzlich finde ich ihn nur noch doof, den, für den ich früher so gerootet habe; wo ich doch Bridget inständig anfeuerte, ihm bitte noch ein einziges Mal zu vertrauen, weil er sich ganz sicher für sie ändert. Dabei will ich ihm heute am liebsten nur noch eins mit der dämlichen Weinflasche überziehen, mit der er in ihren Geburtstag platzt, nun ganz der leidende, missverstandene Typ, der alles doch nicht so gemeint hat – und muss prompt an meine Freundin denken, die Hugh Grant so übel findet, sie würde ihn nicht einmal für alles Geld der Welt küssen (jegliche Angebote trotzdem weiterhin gern an mich – immerhin gibt’s noch Notting Hill, und große Hoffnungen auf den vierten Teil).
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von giphy.com zu laden.
"In einer Zeit, in der Sexismus, Bodyshaming und makelloser Glamour auf der anderen Seite normalisiert wurden, sticht Bridget Jones quasi wie eine Antiheldin hervor."
Bridget Jones – Heldin aller RomComs?
Dafür macht Bridget ganz schnell das, was mich mitsamt Decke aufspringen (und meinen Drink über den ganzen Boden schütten) lässt, indem sie Daniel Cleaver zur Hölle schickt. YES, GIRL! Bridget hat innerhalb von einer Stunde das verstanden, wofür ich zwei Jahre gebraucht habe: und zwar dass es sich nicht lohnt, auf jemanden zu setzen, der sich nie ganz sicher ist. Sie entscheidet sich für etwas ‚außergewöhnliches‘ – auch, wenn sie noch gar nicht wissen kann, wo sie das findet (aber wir Zuschauer wissen es natürlich, weil Colin Darcy – äh, Mark Firth – ihr früher im Film gesagt hat, dass er sie so mag, wie sie ist, und eines der inoffiziellen Rom-Com-Gesetze ist natürlich, dass der Mann gewinnt, der die Frau so mag, wie sie ist). Dabei ist das nach der Kündigungsszene vor versammeltem Team auf der Arbeit schon das zweite Mal, in dem Bridget einem Däm- pardon, Daniel zeigt, wie stark sie ist und ihn auf grandiose Art in die Schranken weist. Das ist die Heldinnenreise, die wir sehen wollen, und zwar damals wie heute.
Nun waren die frühen 2000er voll von Storylines, die uns nicht nur erzählen wollten, wie eine Frau auszusehen hat, sondern auch, wie sie sich verhält. Dass Frauen wie Christina Richie, Renée Zellweger und soo viele mehr als ‚mollig‘ bezeichnet wurden, ist nicht nur völlig realitätsfremd, sondern schlichtweg kriminell. Das Schlimme daran allerdings ist, dass die meisten von uns sich wohl mit dem Struggle von Bridget Jones identifizieren können, oder es zumindest zu einem vergangenen Zeitpunkt konnten: Erstens, Pfunde abnehmen und zweitens, Mann finden als ultimative, von außen auferlegte Ziele; im Idealfall sollte Ziel Nummer eins dazu dienen, Nummer zwei zu bekommen.
"Trotzdem, Bridget Jones schafft es, eine innere Entwicklung durchzulaufen, die heute noch ganz genauso relevant ist wie damals – und uns dabei so zum Lachen zu bringen, bis die Augen tränen."
Slapstick oder schlecht gealtert?
Dann wieder ist Bridget Jones aber so erfrischend unperfekt, so slapstickmäßig chaotisch, dass ich aus heutiger Sicht noch viel besser verstehe, wieso die Bücher und Filme über sie so erfolgreich waren: In einer Zeit, in der Sexismus, Bodyshaming und makelloser Glamour auf der anderen Seite normalisiert wurden, sticht Bridget Jones quasi wie eine Antiheldin hervor. Denn sorry, aber wie iconic ist es bitte, das Telefon post-coital mit „Bridget Jones – geile Sexgöttin mit einem Hammerkerl zwischen ihren Schenkeln“ zu beantworten – wenn die eigene Mutter anruft?! Ein Luxus, der in Zeiten von Smartphones und Ruferkennung leider nur noch halb so spaßig ist – nicht, dass ich es ausprobieren wollte.
Und dafür, dass Bridget sich für das neue Jahr nichts anders wünscht, als abzunehmen und den perfekten Mann zu finden, kriegt sie dann doch relativ schnell die Kurve und steht für sich selbst ein: für ihre Karriere, ihre Freund*innen und die Erkenntnis, dass sie eigentlich ganz okay ist, wie sie ist, auch allein. Was ja erst der Moment ist, in dem sie bereit ist für ihren wirklicher Herzenslover. Auch wenn ich finde, dass die Drehbuchschreiber*innen Mark Darcy’s Rolle ein bisschen mehr aufregend, Darcy-esquer hätten schreiben dürfen … aber hey, das sagt die, die jahrelang etwas für Daniel Cleaver übrig hatte, also lassen wir das lieber.
Ein Fest des 2000er-Feminismus‘
Es war mir wirklich ein Fest, endlich mal eine Protagonistin zu sehen, die so dermaßen chaotisch ist, dass sie sich nicht, wie viele Protagonistinnen heute, mit einer charmanten, sexy Wendung aus den peinlichsten Situationen retten kann, – nicht einmal, wenn Salman Rushdie anwesend ist, – und ein Verständnis von „Kochen“ hat, das ganz dem Meinen entspricht: blaue Suppe, Omelette und Marmelade.
Mein Fazit?
Auch, wenn der Film – Gott sei Dank – in vielen Aspekten heute nicht mehr so produziert werden würde wie damals, liebe, liebe, liebe ich Bridget Jones. Kritikpunkte gibt es dennoch einige, allen voran, dass ich die Protagonistin nicht ein einziges Mal Schokolade zum Frühstück essen sehe. Ohne Zweifel dürfte der Film heute mit viel mehr Diversität aufwarten, und ich bin froh, in einer Zeit zu leben, in der wir sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz (und überhaupt) nicht mehr normalisieren und humorisieren, sondern outcallen. Eine Zeit, in der die Body-Positivity-Bewegung hilft, zu verstehen, dass jeder Körper anders, einzigartig und nicht zu bewerten ist. Trotzdem, Bridget Jones schafft es, eine innere Entwicklung durchzulaufen, die heute noch ganz genauso relevant ist wie damals – und uns dabei so zum Lachen zu bringen, bis die Augen tränen.
Ob ich das auch so sehen würde, wäre ich nicht in Zeiten von „Sex & the City“ groß geworden? Keine Ahnung. Aber ich war damals etwas zu jung, um die Bedeutung einer Figur wie Bridget Jones wirklich zu verstehen und freu mich deshalb umso mehr auf den vierten Teil im neuen Jahr – außerdem könnten ja nicht nur der Film, sondern auch ein Daniel Cleaver mittlerweile erwachsen und weise geworden sein – Frau darf immerhin hoffen. Aber selbst wenn nicht: Ohne Zweifel wird Renée Zellweger eine grandiose, für jetzt zeitgemäße Bridget Jones abliefern. Bleibt nur noch die Frage, was wir dazu in etwa 23 Jahren sagen.