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Endometriose-Tagebuch, Teil 3 || Wenn das Vertrauen in den eigenen Körper plötzlich im wilden Galopp davonreitet
Vermutlich würde jede:r von uns mit Rückblick auf das Leben die ein oder andere Sache anders machen. Ich für meinen Teil habe schon häufiger darüber nachgedacht, was ich meinem Twentysomething-Ich mit auf den Weg geben würde und komme dabei immer wieder zu demselben Schluss: Ich hätte auf der langwierigen Suche nach einer Diagnose für meine jahrelangen Regelschmerzen energischer und fordernder sein müssen.
Reisen wir ein paar Jährchen zurück: Wie vermutlich ein Großteil der Frauen habe auch ich mich mit etwa 18 Jahren für die Anti-Baby-Pille entschieden. Ich will ehrlich sein: Von den inzwischen heiß debattierten Nebenwirkungen hatte ich damals keine Ahnung, mein erstes Smartphone mit nonstop-WLAN, Austausch in den sozialen Medien und geballtem Wissen to-go lag noch einige Jahre in der Zukunft vor mir. Und so nahm ich die Pille. Zum einen, um zu verhüten. Doch die Pille wurde irgendwann mehr für mich als ein reines Verhütungsmittel. So viel mehr.
Denn ich versprach mir von den Hormonen eine Art Wunderheilung gegen die immer schlimmer werdenden allmonatlichen Schmerzen, unter denen ich schon damals litt. Doch die magische Wirkung sollte nicht eintreten. Dennoch habe ich jahrelang alles mögliche probiert, was meine Ärzt:innen mir empfahlen, um "den stärkeren Regelschmerzen" entgegenzuwirken. Und so kam es, dass ich auf Raten meiner damaligen Gynäkologin über rund zwei Jahre die Pille ohne Unterbrechung genommen habe – denn wo keine Periode, da kein Schmerz. So lautete zumindest die vermeintliche Kampfansage …
"Heute weiß ich, dass ich intensiver auf weitere Untersuchungen hätte bestehen müssen. Aber wie kann man auf etwas bestehen, wenn man nicht einmal weiß, dass es existent ist?! Denn damals hatte ich noch nie etwas von Endometriose gehört …"
Ich denke, ich spoilere an dieser Stelle nicht, wenn ich euch sage: Der Masterplan hat nicht funktioniert. Ganz im Gegenteil sogar. Denn obwohl meine Regel ausblieb, hatte ich während der Zeit, in der ich theoretisch meine Tage hatte, Schmerzen. In den ersten Monaten zwar deutlich geringer als ich es "gewohnt" war, doch nach rund einem halben Jahr waren die Schmerzen in ihrer geballten Power wieder zurück. Und mit ihnen alle Ängste und mentalen Breakdowns in den Tagen vor und während meiner Tage. Aus einer vermeintlichen Win-Win-Situation wurde somit im Handumdrehen eine Lose-Lose-Situation.
Blicke ich heute auf mein damaliges verzweifeltes Ich, wird mir klar, wie unsicher ich war und vor allem: wie sehr ich mir gewünscht habe, dass die Schmerzen endlich vorbeigehen, sodass ich vermutlich alles mitgemacht hätte, um diesen Effekt herbeizuführen. Heute würde ich mir ganz sicher nicht vorschlagen lassen, über einen undefiniert langen Zeitraum nonstop Hormone in mich hineinzupumpen. Doch damals fehlte mir nicht nur das Bewusstsein für die massiven Wechsel- und Nebenwirkungen der Pille. Vielmehr war ich so verzweifelt und ängstlich, dass ich vermutlich keine Therapiemaßnahme meiner Ärztin infrage gestellt hatte. Heute weiß ich, dass ich das hätte tun müssen. Heute weiß ich, dass ich intensiver auf weitere Untersuchungen hätte bestehen müssen. Aber wie kann man auf etwas bestehen, wenn man nicht einmal weiß, dass es existent ist?! Denn damals hatte ich noch nie etwas von Endometriose gehört …
"Das Vertrauen in meinen Körper war lange Zeit vollkommen passé – vielmehr sah ich es eines Tages bildlich im wilden Galopp davonreiten. Weit weit weg von mir"
Rückblickend ist für mich aber noch eine ganz andere Sache schlimm: Dass ich nicht gehört wurde. Die Tatsache, dass meine damalige Gynäkologin meine Schmerzen als nichts Ungewöhnliches abtat, hat mich irgendwann glauben lassen, dass ich mir das Ganze womöglich wirklich nur einbilde. Die Tatsache, dass andere Frauenärzt:innen ähnlich auf meine Situation reagierten, bekräftigte meine Unsicherheit mit der Zeit einfach nur noch. Natürlich wussten mein Partner und meine Freundinnen immer darüber Bescheid, dass es mir während meiner Regel schlecht ging, doch mit der Zeit suchte ich vor allem zu meinen Freundinnen diesbezüglich kein Gespräch mehr – denn wer weiß: Vielleicht war ich wirklich nur "etwas schmerzempflindlicher als die anderen". Dieser Glaube nistete sich zumindest langsam aber sicher in meinem Kopf ein. Also nahm ich weiter brav nonstop meine Anti-Baby-Pille und verkroch mich jeden Monat aufs Neue in meinem Bett, um zu hoffen, dass ich die Schmerzen irgendwie überstehen würde …
Versteht mich nicht falsch – hier soll es nicht um Gynäkologen-Bashing oder etwas in der Art gehen. Ich habe meiner damaligen Ärztin vertraut und ihre Behandlungsmethoden nicht angezweifelt. Mit meinem heutigen Wissen würde ich jedoch kritischer und auch energischer in Gespräche gehen und selbstbestimmter darauf beharren, dass die bisherigen Therapien offenbar keine Wirkung erzielen – vielleicht hat mir dazu damals einfach nur die Kraft gefehlt. Sowohl in körperlicher als auch in mentaler Hinsicht. Und das Selbstvertrauen. Denn so viel kann ich sagen: Das Vertrauen in meinen Körper war lange Zeit vollkommen passé – vielmehr sah ich es eines Tages bildlich im wilden Galopp davonreiten. Weit weit weg von mir. Indem ich meinem eigenen Körper irgendwann nicht mehr traute, verließ ich mich also auf fremde Ratschläge, verglich mich mit anderen Frauen und kam am Ende zu dem Schluss, dass ich wohl oder übel mit den Schmerzen und allem, was dazu gehört, leben müsse.
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