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Sag mal, Zachiii, wie lebst du eigentlich feministische Mutter- und gleichberechtigte Elternschaft?
Es gibt bei Instagram Accounts, denen wir schon ziemlich lange und vor allem gerne folgen. @zachiii ist genau so ein Account. Denn Nicole verbindet auf ihrem Kanal Tiefgang, kluge Gedanken, Witz, Feminismus und das Talent, sich selbst nicht immer ganz zu ernst zu nehmen, auf eine ganz besondere und charmante Weise. Umso mehr freuen wir uns darüber, dass sie sich die Zeit genommen hat, uns ein paar Fragen zu beantworten, die wir ihr gestellt haben. Wie Nicole aka Zachiii ihre feministische Mutterschaft lebt, ob und wir ihr und ihrem Mann eine gleichberechtigte Partnerschaft gelingt und wo für sie Sozialisation beginnt, erzählt sie uns im Interview.
Hab vielen Dank für deine Worte, liebe Nicole!
Nicole, auf deinem Instagram-Kanal vereinst du – so beschreibst du es in deiner Bio – „Tiefgang, Stil und ordentlich Schnauze“ mit einer Portion „in-your-Face-Feminismus“. Wer steckt hinter _zachiii_?
„Zachi“ leitet sich aus meinen Nachnamen ab und ist seit 25 Jahren mein liebster „Rufname“. Ich bin 40 Jahre alt, dachte früher, man sei in dem Alter „die langweiligste Person ever“ und stelle fest, dass es mir besser nie ging. Ich habe eine sechsjährige Tochter und einen fast 50-jährigen Mann, der jünger aussieht als ich. Danke dafür.
Du legst mit den Themen, die du bei Instagram besprichst, nicht selten den Finger ganz tief in die Wunde und stellst Fragen, die mitunter weh tun. Hat dein Herz schon immer so aktivistisch und mitreißend geschlagen?
Tatsächlich erst seit einigen Jahren. Hauptsächlich, seitdem ich Mutter bin und aus einer Art Dornröschenschlaf erwacht bin. Stark dazu beigetragen hat tatsächlich Instagram. Je privilegierter ein Mensch, desto weniger Bewusstsein besteht oft für Ungerechtigkeiten (da man nicht selten NutznießerIn dieser ist). Und das bin ich. Mehrfach privilegiert. Was mir nicht immer bewusst war. Die Einblicke durch Instagram in die verschiedenen Lebenswelten ermöglichten mir, in die Eigenverantwortung und in das Bewusstsein zu kommen, was hier alles schiefläuft und in welchem Maß ich dazu beitrage. Und so kam ich zum Feminismus.
"Sozialisation beginnt als erstes im „Eltern“(o.ä.)haus. Darum war es mir immer wichtig, dass unsere Tochter alltägliche Abläufe, wie den Hausputz, das Kochen, das Wäschewaschen und Kinderbetreuen, nicht geschlechterspezifisch verortet."
Du lebst mit deiner Tochter, Frau Schnürschuh, und deinem Partner zusammen. Wie lebst und vereinst du feministische Mutterschaft?
Ich lebe es noch nicht. Ich bin auch unsicher, ob dies je so möglich ist. Ich bin entsprechend heteronormativer stereotypischer Geschlechterbilder sozialisiert und mein Mann ebenfalls. Der Kampf gegen die eigene Sozialisation ist die eine Kiste. Dem Kampf gegen die meines Mannes kann ich nur ansatzweise Frau werden, wenn er bereit ist, diesen überhaupt zu erkennen. Und wir haben nicht sehr früh damit angefangen … Veränderungen brauchen Zeit. Und Geduld. Und das mit dem Alltag einer Familie zu vereinbaren, ist schwierig, kräftezehrend. Wenn jemand etwas Neues fordert, hat der/die andere nicht selten das Gefühl, dass ihm/ihr im Gegenzug etwas weggenommen wird. Aber allein dieser Kampf ist Teil des Ziels und Teil dessen, was ich bzw. wir unserer Tochter vermitteln: dass es zwar nicht einfach, aber unabdingbar ist. Dass es einfacher für sie wird, wenn sie von klein auf versteht (altersgerecht dargelegt), wie unsere patriarchal geprägte Welt funktioniert.
Blicken wir auf die Stichworte Carearbeit und Mental Load befinden wir uns schnell in einem Themenfeld, das on- und offline hitzig diskutiert wird. Wie leben du und dein Partner eure Eltern- und Partnerschaft mit Blick auf diese Aspekte?
Wir leben es mittlerweile so gut, dass ich grundsätzlich ein Gefühl der Augenhöhe und Gerechtigkeit innerhalb unserer Partnerschaft/Familie spüre. Das bedarf jedoch mitunter tägliche Auseinandersetzung. Nicht selten gibt es Streit darüber. Nicht selten verstehen wir einander danach besser. Denn was wir bei der 50/50-Idee nicht vergessen sollten, ist, dass die Kapazitäten, die Resilienz eines jeden Menschen unterschiedlich sind. Dies ebenfalls zu berücksichtigen, ist unabdingbar. Wenn man beginnt, sich mit Themen rund um Feminismus – und das sind etliche, da alles miteinander verwoben ist – zu beschäftigen, so gibt es wohl bei den meisten – nach der ersten Schockerkenntnis und Analyse, wie sehr man selbst in der Scheiße sitzt, ohne es mitbekommen zu haben – kein Zurück mehr. Als hätte man keine Wahl. Die Erkenntnis trifft, schockiert, paralysiert und animiert dich zu nahezu gleichen Teilen.
Beziehst du Frau Schnürschuh bereits in deine feministische Mutterschaft und andere Herzensthemen mit ein? Und wenn ja, wie dürfen wir uns diesen spannenden Austausch zwischen euch vorstellen?
Gefühle, wie Wut, Ohnmacht, Verzweiflung, Antrieb und Motivation koexistieren zu fast jedem Zeitpunkt. Es ist fast unmöglich, dies nicht in den Alltag mit einfließen zu lassen, da nahezu alles hinterfragt, beleuchtet und neu ausgerichtet wird. Somit werden viele alltägliche Handlungen, Gespräche zu etwas Feministischem. Das mag dogmatisch klingen, ist am Ende aber eher befreiend. Das fängt beim Abwasch an und hört noch lange nicht beim „Jungs können, genau wie Mädchen, lange Haare und Kleider tragen“ auf. Sozialisation beginnt als erstes im „Eltern“(o.ä.)haus. Darum war es mir immer wichtig, dass unsere Tochter alltägliche Abläufe, wie den Hausputz, das Kochen, das Wäschewaschen und Kinderbetreuen, nicht geschlechterspezifisch verortet. Hier sollte klar sein, dass beide Elternteile, Mami & Daddy, dafür verantwortlich sind. Aber vor allem auch, dass wir danach gehen, wem was besser liegt. Und dann darf es auch sein, dass Mami nahezu ausschließlich kocht und Daddy nahezu ausschließlich mit dem Kind malt/bastelt. Es nicht unbedingt wichtig, wofür wir uns entscheiden. Es ist wichtig, dass wir die Wahl – im Rahmen der unverschiebbaren Verantwortlichkeiten – haben. Das bedeutet für mich derzeit gleichberechtigte Elternschaft.
"Ich bin immer wieder aufs Neue schockiert über die Ignoranz und Untätigkeit in Bezug auf den Umgang mit sexualisierter Gewalt – und am Ende auch wieder nicht."
Online findet dein Content in einer feministisch geprägten Bubble statt – wie sieht das Ganze aus, wenn du diese Welt verlässt und dich in der Offline-Welt austauscht?
On und off sind zwei vollkommen verschiedene Welten. Das muss man einfach akzeptieren. Wenn ich mit meiner online Idee von der doch schon krass feministischen Welt in die offline Welt gehe und mit Selbstverständlichkeiten und Anforderungen um mich schlage, erreiche ich nur das Gegenteil. Es braucht Zeit. Es braucht verdammt viel Zeit, bis eine (notwendige!) Veränderung in die Masse der Gesellschaft – wenn das überhaupt möglich ist – dringen kann. Und: Es braucht Bildung! Und die beginnt bereits in der Krippe, in der Kita und Schule. Und hier meine ich in erster Linie nicht unsere Kinder, sondern die zuständigen Erwachsenen, die aufgrund ihrer Sozialisation mitunter so starr und stark in stereotypischen Rollenbildern und veralteten bis gefährlichen Denkmustern verharren, das es somit unmöglich ist etwas anderes als das an unsere Kinder weiterzugeben.
Ein Thema, dem du dich intensiv bei Instagram widmest, ist die Aufklärung rund um sexualisierte Gewalt. Was machen Meldungen um Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe oder Gewalt gegen Frauen mit dir und wie hast du insbesondere die vergangenen Wochen mit Blick auf die Nachrichtenlage (rund um die Causa Lindemann) erlebt?
Ich bin immer wieder aufs Neue schockiert über die Ignoranz und Untätigkeit in Bezug auf den Umgang mit sexualisierter Gewalt – und am Ende auch wieder nicht. Täter werden durch patriarchale Strukturen, Systeme geschützt. Täter werden privat geschützt. Dazu müssen wir nur Kommentarspalten und Gespräche aus unserem unmittelbaren Umfeld analysieren: Victim blaming, Täter-Opfer-Umkehr und Verharmlosungen par excellence. Das ist nichts Neues und angesichts dessen stellt sich in mir eine Ohnmacht ein, denn ich habe rein gar nichts in der Hand. Alles, was mir bleibt, ist in die Aktive zu gehen, wenn es um die Stärkung meines Kindes, meines Umfeldes geht.
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