Von der Suche nach Leichtigkeit und Humor im ernsten Alltag, der unser Leben ist
Ich schreibe Kolumnen über Themen, die mich aktuell beschäftigen. Etwas, wozu ich eine eigene Meinung habe und im besten Fall einen Humor, eine Art natürlichen Mutterwitz. Wenn ich aufhöre zu schreiben, bin ich entweder gelangweilt oder ich habe nichts zum Schmunzeln. Aktuell kommt etwas Neues hinzu: Ich habe zu viele Themen. Zu viele Themen, zu denen ich eine eigene Meinung entwickeln muss und zu wenig Humor, um diese zu bewältigen. Und ich bin jetzt erwachsen.
"Die Ironie im eigenen Leben immer wiederzufinden, braucht einen Moment, vor allem in diesen Zeiten … Und jetzt, bleibt das so ernst?"
Spätestens mit 40 wird mir mehr Verantwortung zugetraut. Ich bin politisch, ich gehöre jetzt zu den Entscheidungstragenden. Ich bin jetzt vermutlich auch eine ernstzunehmende Mutter, keine junge Mami mehr, sexy, fehlerhaft. Mit der neuen Gelassenheit, mit den grauen Haaren, kommt auch gleich ein großes, so ernstes Paket mitgeliefert – bäng! „Sie sind jetzt die Mitte der Gesellschaft, herzlichen Glückwunsch! Den Jüngeren sind Sie nun ein Vorbild, den Älteren finanzieren sie ihre Rente.“ Ich gehöre zwar immer noch zu den Menschen, die unbedarft Sex haben, aber auch zu denen, die am Morgen danach wichtige Entscheidungen treffen und nicht nur die Wimperntusche vom Vortag aus dem Augenwinkel wischen müssen. Das birgt auf den ersten Blick erstmal sehr wenig Humor, oder?
Die Ironie im eigenen Leben immer wiederzufinden, braucht einen Moment, vor allem in diesen Zeiten … Und jetzt, bleibt das so ernst? Wie finde ich zwischen all diesen Themen, die meinen Alltag bestimmen, meine Leichtigkeit wieder? Und habe ich nicht schon jahrelang sehr erwachsene, durchdachte Entscheidungen getroffen? Ist es jetzt wirklich so anders? Mach dich mal locker, Resi …
"Ich weiß inzwischen, dass alles im Leben mindestens zwei Seiten hat: Ein Dammschnitt unter der Geburt benötigt ein verdammt hartes Beckenbodentraining – das wiederum führt aber auch zu verdammt gutem Sex."
Steckt nicht in uns allen eine Teilzeit-Erwachsene?
Menschen in meinem Alter leiten Unternehmen oder den politischen Diskurs. Ich kenne allerdings immer noch sehr viele Tage, an denen ich ausgesprochen froh bin, zwei gleichfarbige Socken angezogen zu haben (und dabei zähle ich Dunkelblau und Schwarz durchaus als dieselbe Farbe). Dabei glaube ich, dass es gar nicht so schlecht um mich steht. Ich habe von einigen Themen immer noch zu wenig Ahnung (Geschichte und Politik) und von einigen Themen zu viel (Das Englische Königshaus), aber alles in allem bin ich schon seit vielen Jahr bereit, sehr viel Verantwortung zu übernehmen und mir zu allen erdenklichen Dingen ein bodenständiges Wissen und eine eigene Meinung anzueignen.
Ich hinterfrage immer noch Autoritäten (Warum geben die Lehrer*innen meiner Tochter so viele Hausaufgaben auf? Macht doch nur die Hälfte!) und ich habe mir eine gewisse Form von Anarchie erhalten (meine Steuererklärung reiche ich immer erst kurz vor der 1. Mahnung ein), ich führe keine feste Beziehung, bin Gelegenheitsraucherin und liebe es, meine Möbel immer noch selber aufzubauen. Ich weiß inzwischen, dass alles im Leben mindestens zwei Seiten hat: Ein Dammschnitt unter der Geburt benötigt ein verdammt hartes Beckenbodentraining – das wiederum führt aber auch zu verdammt gutem Sex.
Meine Mutter lebt leider nicht mehr und somit kann ich sie nicht fragen: „Sag mal, wie erwachsen hast du dich eigentlich mit 40 gefühlt?“ Als sie so alt war wie ich heute, war ich bereits 15 und hatte noch drei jüngere Geschwister. Während ich mich durch die Pubertät schlug, schlug sie sich vermutlich zu spät mit ihrer Steuererklärung herum, steckte in einer Paartherapie mit meinem Vater und fragte sich, wie der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland gelingen kann und was ihr Beitrag dazu sein kann. Und ganz bestimmt hat sie an der einen oder anderen Stelle in ihrem Leben den Humor verloren und den Blick auf die Kuriositäten, die den Alltag lebenswert machen. Aber eins hat mir ihre Lebensgeschichte gelehrt: Es kommt wieder – der humorvolle Blick aufs Leben und damit auch meine Möglichkeit, darüber Kolumnen zu schreiben. Mit 40 war sie vermutlich auch nur eine Teilzeit-Erwachsene.
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