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Clara wurde per Samenspende Solo-Mama: „Nur um ein Kind bekommen zu können, möchte ich mich nicht an einen anderen Mann binden müssen“
Muss man einen Kinderwunsch nach einer gescheiterten Beziehung ad acta legen? Für Clara aus Wiesbaden war nach dem Ende ihrer Ehe klar: Nein, das muss man nicht. Und so entschied sie sich mit Anfang 30, Solo-Mama per Samenspende zu werden. Ihr Sohn ist inzwischen drei Jahre alt und Clara ist eine von vielen Frauen in Deutschland, die das Modell der Solo-Mutterschaft lebt und liebt.
Auf Instagram beantwortet Clara als Polly Freytag alle Fragen rund um Mutterschaft per Samenspende – und holt dabei jede Menge Themen aus der Tabuzone. Mit ihrer eigenen Geschichte geht sie dabei ganz transparent um – so ist etwa kürzlich ein Film in der ARD-Mediathek erschienen, in dem Clara von ihrem Weg und Leben als Solo-Mama per Samenspende erzählt. Auch uns hat Clara im Gespräch mit auf ihre Reise genommen – dabei ging es um ihren persönlichen Kinderwunsch, ihrer Mutterliebe, für die es keinen Mann braucht und dem großen Aspekt der Selbstbestimmung.
Vielen Dank für deine offenen Worte, Clara.
Clara, bitte nimm uns einmal mit auf deine Kinderwunschreise – wusstest du schon immer, dass du eines Tages Mama werden möchtest?
Clara: Dass ich mir Kinder wünsche, wusste ich eigentlich schon mein Leben lang. Dabei spreche ich bewusst in der Mehrzahl, weil das Bild mit vielen Kindern schon immer in meiner Familie gelebt wurde. Ich habe viele Cousins und Cousinen, wir sind gewissermaßen ein unüberblickbarer Haufen (lacht). So bin ich also sozialisiert worden und natürlich habe ich mir in meinen Zwanzigern auch kritisch die Frage gestellt, ob ein Leben mit Kindern überhaupt mein eigener Wunsch ist. Darauf fand ich aber immer dieselbe Antwort: Ja, ich wünsche mir, mindestens ein Kind beim Großwerden begleiten zu dürfen.
Gab es einen Partner in deinem Leben, mit dem du dir diesen Schritt vorstellen konntest?
Den gab es. Ich habe immer heteronormative Beziehungen geführt und irgendwann auch den einen Mann geheiratet, mit dem ich das Leben als Eltern gerne geführt hätte. Grundsätzlich hatten wir auch dieselbe Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft. Als die Familienplanung irgendwann aber konkreter wurde, haben sich bei mir Zweifel eingestellt. Denn ein gemeinsames Kind wäre in unserem Fall mit dem unausgesprochenen Gesetz einhergegangen, dass mein Mann arbeiten geht, viel unterwegs ist und eigentlich nur an den Wochenenden zu Hause ist, während ich die alleinige Care Arbeit übernehme. In diesem Zuge haben bei mir alle Alarmglocken geschrillt.
Konntet ihr bezüglich dieser unterschiedlichen Vorstellungen einer Elternschaft auf einen gemeinsamen Nenner kommen?
Leider nicht. Ein gemeinsames Hinterfragen dieses Familienbildes war nicht möglich und mein Ex-Mann hat entsprechend dicht gemacht, wenn ich über das Thema sprechen wollte. Schlussendlich hat er sich getrennt.
Wie ging es dann weiter für dich?
Zunächst musste ich die Trennung natürlich erst einmal verarbeiten. Doch irgendwann habe ich gemerkt, dass die Trennung mir gleichermaßen die Chance bietet, mein Leben so zu leben und auszurichten, wie es wirklich zu mir passt. Ich befand mich dann etwa ein, zwei Jahre in einer Findungsphase, in der ich herausfinden konnte, wie mir mein Leben ohne Partner, mit einem alleinigen Gehalt und nur mit mir selbst gefällt und ich muss sagen: Es hat mir richtig gut gefallen (lacht). Ich habe mich so frei und glücklich wie nie zuvor gefühlt und war nicht bereit, diese Freiheit mit einer potenziellen neuen Beziehung möglicherweise wieder aufgeben zu müssen. Für mich stand irgendwann fest: Nur um ein Kind bekommen zu können, möchte ich mich nicht an einen anderen Mann binden müssen.
Wie hat sich der Gedanke in dir gefestigt, Solo-Mama zu werden?
Ich wollte meine Unabhängigkeit unbedingt behalten. Ein Kind durch einen One-Night-Stand zu bekommen, kam für mich nie infrage. Insofern war mir klar: Wenn ich Kinder bekommen möchte, muss das Ganze auch auf rechtlicher Ebene niet- und nagelfest sein. Als ich 30 wurde, bin ich dann auf Hanna Schillers Blog „solomamapluseins“ gestoßen und habe festgestellt, dass es auch in Deutschland möglich ist, alleine Mama zu werden. Alles an dem Modell Solo-Mutterschaft hat mir gefallen und ich habe Kontakt zu Hanna aufgenommen – der Auftakt war also gesetzt.
Wie viel Zeit lag zwischen deinem Entschluss, Solo-Mutter zu werden, und der geglückten Schwangerschaft?
Mein Entschluss ist im Oktober 2018 gefallen. Damals hatte ich einen Gastbeitrag für Hannas Blog geschrieben, in dem ich meine persönliche Geschichte erzählt habe. Im Sommer 2020 war ich dann schwanger. Letztendlich habe ich glücklicherweise nur zwei Versuche einer Insemination benötigt; ich habe weder Social Freezing noch eine Eizellenentnahme benötigt.
Ich unterscheide zwischen den Begriffen „Solo-Mama“ und „alleinerziehende Mama“.
Hast du Menschen aus deinem Umfeld damals in deine Pläne eingeweiht oder bist du die Kinderwunschreise alleine angetreten?
Auch wenn ich ein Mensch bin, der vieles mit sich selbst ausmacht, hatte ich das Bedürfnis, mit jemandem über mein Vorhaben zu sprechen. Durch den direkten Austausch wusste Hanna natürlich Bescheid, außerdem habe ich mich viel mit meiner Schwester und meiner Cousine ausgetauscht. Meinen Eltern und dem restlichen Teil meiner Familie habe ich jedoch erst davon erzählt, als ich schwanger war.
Wie hat deine Familie reagiert?
Voller Vorfreude und positiv. Meine Familie hat schon immer jedes neue Familienmitglied wahnsinnig liebevoll und herzlich empfangen, so war es bei meinem Sohn auch. Natürlich gab es auch mal kritische Rückfragen, aber meine Entscheidung, Solo-Mutter zu werden, wurde nie infrage gestellt.
Gab es denn auch mal kritische Rückfragen von Frauen, die unfreiwillig alleinerziehend sind?
Ich unterscheide zwischen den Begriffen „Solo-Mama“ und „alleinerziehende Mama“. Als Solo-Mutter per Samenspende lebe ich meine Mutterschaft unter anderen Voraussetzungen als eine getrennt Alleinerziehende, weil ich in der Regel nicht in einer Abhängigkeit zu einer anderen Person stehe. Für diesen Schritt habe ich mich als Solo-Mama bewusst entschieden – sowohl in finanzieller als auch in rechtlicher Hinsicht. Das ist bei Eltern, die sich trennen, häufig anders. Insofern habe ich bisher noch keine Auseinandersetzungen mit getrennt Alleinerziehenden erlebt.
Es gibt Menschen, die unseren Weg nicht akzeptieren. Das zeigt sich natürlich vor allem in den sozialen Medien, wenn unter Beiträgen mit Kommentaren wie „gestört“ reagiert wird.
Wie datet es sich als Solo-Mutter?
Gar nicht, denn ich date nicht (lacht). Ich habe wenig Zeit und offen gestanden auch keine Lust. Natürlich bin ich bei einer Dating-App angemeldet, aber ich nutze sie nicht wirklich. Würde ich wirklich daten wollen, würde ich mich natürlich ganz anders verhalten, Zeiten zum Telefonieren oder einem Treffen ermöglichen, einen Babysitter organisieren und und und. Aktuell ist aber alles wunderbar, wie es ist.
Wo stehen wir im Jahr 2024, wenn es um die Akzeptanz von selbstbestimmter Solo-Mutterschaft geht?
Mit Blick auf mein direktes Umfeld und die Bubble, in der ich mich bewege, herrscht eine große Akzeptanz. Dennoch spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, wie etwa der politische Aspekt: Wir Solo-Mütter werden noch immer stark benachteiligt. Dabei denke ich etwa daran, dass beim Ausfüllen verschiedener Amtsformulare immer Angaben zum Vater gefordert werden. Doch in unserem Fall gibt es keinen Vater, es gibt einen Spender. Auch das Beantragen von Elterngeld ist eine echte Herausforderung – nicht nur für Solo-Mütter per Samenspende, sondern für alle Alleinerziehende. Kurzum: Sowohl Alleinerziehende als auch Solo-Mütter per Samenspende werden in der Politik oft nicht mitgedacht. Hinzu kommt der gesellschaftliche Aspekt: Es gibt Menschen, die unseren Weg nicht akzeptieren. Das zeigt sich natürlich vor allem in den sozialen Medien, wenn unter Beiträgen mit Kommentaren wie „gestört“ reagiert wird. Aber auch im echten Leben gibt es Menschen, die unseren Weg als egoistisch erachten.
Wenn du von Solo-Müttern per Samenspende sprichst, redest du von „wir“. Gibt es eine richtige Solo-Mama-per-Samenspende-Community?
Aber hallo! Wir sind richtig viele! Inzwischen sprechen immer mehr Frauen auch außerhalb versteckter Foren über ihren Weg, wobei meiner Meinung nach der Launch von Hannas Blog im Jahr 2018 eine große Rolle gespielt hat. Seitdem ist viel passiert: 2018 gab es zudem eine Gesetzesänderung, die das Thema Samenspende etwas klarer definiert und regelt. Das macht sich inzwischen auch in dem Angebot der Kinderwunschkliniken bemerkbar und das singlefreundliche Angebot nimmt zu, was ich toll finde. Auch die Samenbanken haben immer mehr Singlefrauen unter ihren Kund*innen. Wir sind so viel mehr als man zunächst denken mag.
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