Ben Knabe
Verena Kleinmann, muss sich eine kinderfreie Frau über 40 anders „erklären“ als eine Frau in ihren Dreißigern?
Von "Werde ich es irgendwann bereuen, nicht Mutter geworden zu sein?" bis hin zu "Ist es ein Fehler, sich für ein kinderfreies Leben zu entscheiden?" – wer mit der Entscheidung, Mutter zu werden, hadert, wird diese, oder ähnliche Fragen, sicher kennen. Auch Verena Kleinmann kennt das Gedankenkarussell rund um die Kinderfrage. Die 39-jährige Journalistin ist in einer Beziehung, hat aber keinen Kinderwunsch. Eigentlich. Denn so ganz kann sie das Thema, das immer wieder in ihrem Kopf herumspukt, nicht abhaken. Und so beschließt Verena eines Tages, Antworten auf ihre Fragen zu finden. In dem Podcast "Kein Kinderwunsch" spricht sie mit Expertinnen, Mamas und kinderlosen Frauen über ihre Zweifel, Herausforderungen und Ziele – und findet auf diesem Weg ihre persönliche Antwort auf die Kinderfrage. Im Interview hat Verena uns mit auf ihre Reise genommen.
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Verena, in deinem Podcast gehst du unter anderem der Frage auf den Grund, die sich die meisten Menschen stellen, wenn es darum geht, ob sie sich ein Kind wünschen oder nicht: „Mache ich einen riesigen Fehler, wenn ich kein Kind bekomme?“. Konntest du eine Antwort auf diese Frage finden?
Ja, konnte ich. Und zwar, dass ein Leben mit Kindern Vor- und Nachteile hat, genauso wie ein Leben ohne Kinder auch. Es sind einfach zwei komplett unterschiedliche Lebensmodelle. Außerdem war eine wichtige Erkenntnis für mich, dass ich bei dieser existenziellen Frage keine 100 Prozent Klarheit in meinem Kopf haben muss. Ich habe im Laufe des Podcasts gelernt, dass die Ambivalenz, die ich manchmal fühle – also dass ich denke, dass ein Leben mit Kind schön wäre und ein Leben ohne auch – sogar etwas Gutes hat. Weil ich mit beiden Lebensmodellen happy wäre beziehungsweise bin.
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Wie lange hast du gebraucht, um deine persönliche Antwort zu finden?
Ich hatte jahrelang immer wieder Sorgen im Kopf wie: „Werde ich es später mal bereuen, dass ich kein Kind bekommen habe?“ Oder: „Bin ich im Alter später mal ganz einsam?“ Ohne dass es für diese Ängste irgendeine faktische Grundlage in meinem Hirn gegeben hätte. Total bescheuert. Diese fiesen Gedanken waren einfach da. Weil wir normativ so geprägt sind: Frau = Mutter, das gehört so. Das ist dann die Erfüllung. Danach sollten wir streben und wenn wir das nicht tun, dann verpassen wir den Sinn des Lebens auch irgendwie. Solche Gedanken hatte ich. Durch den Podcast habe ich mit Expertinnen, Mamas und auch Kinderlosen gesprochen und Antworten auf meine Fragen gefunden. Das war echt ein Befreiungsschlag, der noch krass nachhallt.
Wie war während der Podcast-Produktion der Austausch mit all den verschiedenen kinderfreien Frauen und Müttern?
Der Austausch war mit allen Frauen, egal ob mit oder Kindern total positiv, inspirierend und ehrlich! Ich war und bin immer wieder überrascht, dass überall, wo das Thema aufkommt, sofort tiefe Gespräche mit den allermeisten Frauen entstehen. Jede ihre Geschichte hat, die sie gerne erzählen will. Ich finde das total schön, dadurch mit so vielen Frauen direkt auf einer sehr intimen Ebene sprechen zu dürfen. Ich bekomme auch jetzt nach der Podcast-Veröffentlichung ganz viele tolle Nachrichten von Frauen, die sich durch den Podcast gesehen und verstanden fühlen. Das macht mich wirklich ganz glücklich.
Warum müssen sich kinderfreie Menschen noch immer rechtfertigen, wenn es um ihr kinderwunschlos glückliches Leben geht? Suggeriert das nicht, dass Frauen mit Kinderwunsch etwas richtig und Frauen ohne Kinderwunsch etwas falsch machen?
Ich musste mich verrückterweise die meiste Zeit eher vor mir selbst rechtfertigen. Meine Familie und mein Umfeld haben mich da größtenteils in Ruhe gelassen. Aber: Unsere normative Prägung und auch die Medien – zumindest die, mit denen ich aufgewachsen bin, so langsam ändern sich ja Narrative – suggerieren, dass ein Leben mit Kind normal, gut und richtig ist. 80 Prozent der Frauen in Deutschland hat Kinder. Ein weiterer Teil will ein Kind, es klappt aber nicht. Ein Kind haben, ist also die Norm. Und normal sein, ist eben gut. Dazu kommt, dass der Mutterrolle auch Attribute wie empathiefähig, liebevoll, fürsorglich und so weiter zugeschrieben werden. Wenn man als Frau dann keine Mutter wird/ist, dann fehlen diese Fähigkeiten. Männer haben es da deutlich einfacher.
Das Alter spielt eine große Rolle, wenn es um Schwangerschaft oder Mutterschaft geht – glaubst du, dass eine kinderfreie Frau über 40 sich nochmals anders „erklären“ muss als eine Frau in ihren Dreißigern?
Ich glaube schon. Mit 30 wird gefragt: „Wann Kind?“ Mit 40 wird eher gefragt oder gedacht: „Warum hat sie denn kein Kind?!“. „Was ist da denn schiefgelaufen?!“. Das ist sogar manchmal immer noch auch mein erster gedanklicher Impuls. Weil ich eben gelernt habe, dass Frau irgendwann auch Mutter sein soll.
Hat bei deiner Entscheidung, ein kinderfreies Leben zu führen, auch der körperliche Aspekt eine Rolle gespielt?
Ja, ich finde die Vorstellung, schwanger zu sein und ein Kind auf die Welt zu bringen, echt beängstigend. Hier sagen zwar alle Mamas, dass das ja eine super kurze Zeit ist. Aber ich finde die Tatsache, dass da ein Lebewesen unkontrollierbar in meinem Körper heranwächst, echt schon schräg. Liegt vielleicht daran, dass ich Dinge gerne kontrollieren will oder zumindest das Gefühl haben möchte, sie kontrollieren zu können.
Was macht das häufig verwendete Klischee mit dir, kinderfreie Frauen seien egoistisch und karrierefixiert?
Ach, nee. Das macht irgendwie nichts mit mir. Und das Verrückte ist ja: Das hören auch Mütter, die dann „zu früh“ wieder arbeiten gehen und ihr Kind dann eben auch „zu früh“ in die Betreuung geben. Und die Mamas, die „zu lange“ zu Hause bleiben, sind dann mal schnell die „Heimchen am Herd“. Als Frau macht man es eh falsch.
In einer der Podcast-Episoden vereinst du gewissermaßen zwei tabuisierte Themen miteinander: das selbstbestimmte Leben ohne Kinderwunsch und Regretting Motherhood. Ob als Mutter oder kinderfreier Mensch – die Frage nach dem Bereuen scheint stets eine große Rolle zu spielen ...
Ja, spielt sie. War so auch bei mir. Gesellschaftliche Normen, Medien, teilweise unser Umfeld, etc. trichtern uns ein, dass wir Kinder vielleicht mit 30, 40 oder 50 nicht vermissen, das große Bereuen aber irgendwann kommt. Das ist ganz schön fies und macht Druck. Und es kann ja wohl nicht sein, dass Frauen die Entscheidung für ein Kind gegen ihre Intuition davon abhängig machen, es eventuell in 30 oder 40 Jahren bereuen zu können. Für den Podcast habe ich mit alten, kinderlosen Frauen gesprochen und sie auch gefragt, ob sie es bereuen, dass sie kein Kind bekommen haben. Turns out: Nein. Die eine wollte früher sogar unbedingt Kinder, das hat aber dann aus gesundheitlichen Gründen nicht geklappt und sie hat damit komplett ihren Frieden geschlossen und sagt zum Beispiel, dass sie ja nur so 60 Jahre Ehrenamt ausüben konnte. Die Frauen haben die Gestaltungsmacht, die wir alle über unser Leben haben, genutzt, um ein erfülltes Leben zu führen. Es sich im Rahmen der Möglichkeiten schön gemacht. Beim Thema Regretting Motherhood ist die Lage nochmal anders, weil da ein Mensch dranhängt.
Welche Rolle hat die berühmt-berüchtigte FOMO bei dir gespielt, wenn es um die Kinderfrage geht?
Die FOMO, mein selbstbestimmtes Leben zu vermissen war größer als die FOMO, zu verpassen, wie es sich anfühlt, Mutter zu sein. Auch wenn es natürlich Momente gibt, in denen ich denke: „Wie wäre das, wenn so ein Mini-Me von mir rumlaufen würde?!“
Es gibt natürlich auch Menschen, bei denen sich die Sache mit den Kindern schlichtweg irgendwie nie ergeben hat – dafür können verschiedene Gründe verantwortlich sein. Wir sind dir im Rahmen deiner Podcast-Recherche diese Frauen begegnet, bei denen es sich „nicht ergeben hat“?
In Staffel 1 haben wir die nicht zum Thema gemacht. Bis auf am Rande mit einem Studienergebnis, dass mich persönlich sehr gefreut hat. In der Psychologie fällt „unerfüllter Kinderwunsch“ in die Kategorie „widrige Lebensumstände“. Da zählen auch solche Dinge wie Tod des Partners/der Partnerin oder Firmeninsolvenz rein. Auf alle Fälle heißt es, dass sich die allermeisten Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch nach zwei Jahren davon erholen und sich die Lebenszufriedenheit wieder auf dem Ursprungsniveau einpendelt.
Hat deine selbstbestimmte Kinderlosigkeit die Freundschaften zu deinen Mama-Freundinnen beeinflusst?
Die Freundschaften haben sich an sich nicht verändert und wir akzeptieren unsere jeweiligen Lebensmodelle total. Ich mag Kinder ja auch voll gerne und die von meinen Freundinnen nochmal ein bisschen mehr. Ich habe also immer eine gute Zeit mit den Kindern von meinen Freundinnen und meine Freundinnen räumen uns auch immer Zeit zu zweit ein. Zum einen, weil sie wissen, dass ich das will; zum anderen auch, weil sie es selbst wollen und genießen. Aber klar haben wir seit der Kinder nicht mehr die Zeit für gemeinsame Aktivitäten wie früher und gemeinsame Urlaube sind auch nicht mehr in der Intensität drin. Das finde ich natürlich schon schade, aber gleichzeitig habe ich das Glück, dass ich auch sehr viele kinderlose Freundinnen habe und dann fällt das gar nicht so sehr auf.
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