wie feministisch sind Beauty Filler
Unsplash/Moreno Matković

Botox und Body Positivity – wie feministisch sind Beauty Filler?

Vor zwei Jahren habe ich mir die Lippen mit Hyaluron unterspritzen lassen und fand es großartig. Na gut, bis auf die ersten zwei Wochen, in denen die Schwellung etwas mehr an ein Schlauchboot statt an ein Organ erinnerte und ich ernsthaft an meinem eigenen Verstand – und dem von tausenden anderen Frauen – zweifeln musste. Die Unterspritzung tat nicht nur höllisch weh, sondern machte mir in den ersten Tagen auch das Essen, Zähneputzen, Lachen und Sozialisieren schwer. Und das alles nur für ein paar Monate vollere Lippen, ernsthaft?! Wer unterzieht sich bitte freiwillig einer solchen Behandlung, der noch bei vollem Verstand ist? Turns out: Ich, und ich würde es wieder tun – dachte ich.

"Entgegen vieler Stimmen, die Schönheitseingriffe als antifeministische Agenda oder gefährlichen Botox-Feminismus werten, glaube ich nicht, dass Eingriffe im Kontrast zum Feminismus stehen. Feminismus bedeutet schließlich Selbstbestimmung; es geht darum, eine Wahl zu haben – auch dann, wenn Personen wählen, am eigenen Körper nachzuhelfen."

Denn einmal abgeschwollen, war der Effekt subtil, aber maximal wirkungsvoll – vor allem für mich selbst. Plötzlich Dauerzuschauerin meines eigenen Spiegelbilds (und des Selfie-Modus meiner Handykamera), waren die Schmerzen und Einschränkungen der Behandlung wie vergessen, und ich ein so großer Fan von dem kleinen Real-Life-Beauty-Filter, dass ich entschied, es auf jeden Fall wieder zu tun. Und wenn ich schonmal dabei war, könnte ich beim nächsten Mal vielleicht noch Stirn und Augenfältchen etwas glätten, nur so ganz eben, nur die groben Falten. Wenn man sich damit so viel besser fühlt, ist doch nichts dabei, oder?

Botox-Feminismus: Empowerment oder Empörung?

Entgegen vieler Stimmen, die Schönheitseingriffe als antifeministische Agenda oder gefährlichen Botox-Feminismus werten, glaube ich nicht, dass Eingriffe im Kontrast zum Feminismus stehen. Feminismus bedeutet schließlich Selbstbestimmung; es geht darum, eine Wahl zu haben – auch dann, wenn Personen wählen, am eigenen Körper nachzuhelfen.
Ich mache es ja nicht, um anderen zu gefallen, sondern weil ich mir selbst besser gefalle, mich wohler fühle. Dabei würde ich nicht behaupten, dass ich mit meinem Selbstbild nicht zufrieden bin – im Gegenteil, ich kann mich ziemlich gut annehmen, wie ich bin. Allerdings heißt Body Positivity nicht, dass man nicht trotzdem etwas an sich selbst verändern wollen darf – oder, wie eine Freundin letztens sagte: „Wenn ich jeden Morgen aufstehe und mich ein Leben lang der dicke Zinken in meinem Gesicht stört, der mir aus meinem Spiegelbild entgegenschaut, dann kann ich mich lieben wie ich bin – ich werde mich aber trotzdem wohler fühlen, wenn ich ihn anpassen lasse.“

Das Selbstbild leidet unter Fillern und Filtern

Ich finde, viele Schönheitseingriffe liefern ein unglaublich tolles Ergebnis. In meinem Umfeld haben mittlerweile viele Frauen etwas machen lassen, und tatsächlich sind die Ergebnisse oft so gut, dass ich es nicht einmal erkennen würde, hätte ich nicht davon gewusst. Andererseits führt genau das zu einer problematischen Verzerrung der Realität. Weil wir eben nicht mehr sagen können, wie viele Falten für jemanden mit Mitte 30 eigentlich „normal“ sind. Weil mein Selbstbild eben doch durch die ständige Konfrontation mit Filtern und Fillern leidet. Ich habe einige Falten, ja, und hier und da sind meine Augenringe tiefer und das Gewebe etwas schwerer, als ich es gern hätte. Aber ist das nicht normal mit 34? Wieso, wenn ich mit mir selbst doch zufrieden bin, stehe ich unter dem ständigen Eindruck, frischer und wacher aussehen zu wollen – oder zu müssen – als ich es eigentlich bin?

"Ja, es geht um die Wahl. Und wenn ich nochmal etwas machen lassen will, dann mache ich es auch – die Frage ist wohl eher, ob ich zu diesem Beauty-Standard wirklich etwas beitragen möchte, wenn ich mir doch selbst wünsche, mehr Frauen zu sehen, die sich mit 30, 40, 50 und 60+ ganz natürlich zeigen. Die mir zeigen, dass Altern nicht verteufelt oder versteckt werden muss. Nur möchte ich selbst dann irgendwie nicht die Frau sein, die vorangeht (die Ironie hier entgeht mir nicht)."

Schon die Instagram-Filter zeigen uns, wie‘s geht: Ein bisschen Farbe ins Gesicht malen, die Haut glatter aussehen und Augenringe verschwinden lassen – überhaupt einen gesünderen Look zaubern – die Kamera führt uns die ideale Version unserer selbst vor, reibt uns unter die Nase, wie wir aussehen könnten und verstärkt den Wunsch nach Eingriffen. Und wenn man einmal etwas hat machen lassen, ist die Hemmschwelle niedriger, weitere kleine Eingriffe vorzunehmen. Spritzen und OP‘s sind dabei mittlerweile so alltäglich, dass es mir fast Angst macht. Es ist kein Zufall, dass Botox-Behandlungen zwischen 2018 und 2022 um ein Drittel gestiegen sind.

Makel als Markenzeichen

Vor einigen Jahren habe ich mich mit einer Zahnärztin über kosmetische Eingriffe unterhalten. Ihre Meinung: Man müsse nicht immer alles korrigieren, manche Dinge, die wir als Makel sehen, seien schlicht und einfach auch unser äußeres Markenzeichen, das uns viel interessanter macht. Das Problem, dachte ich, ist aber, dass ich bei mir ziemlich viele potenzielle Markenzeichen entdecke, die mir nicht gerade gefallen, die nicht dem Standard entsprechen. Wenn ich könnte, dann hätte ich neben meinen Zähnen, die mittlerweile zwar gerade, aber vom Knirschen dermaßen zersprungen sind, auch längst meine Nase korrigieren lassen, meine Brüste in kompaktere Form gebracht und die Lider straffen lassen, damit man beim Lachen auch endlich mal meine Augen erkennt, die ich nämlich ziemlich schön finde – wenn das Licht gut fällt.

Ja, es geht um die Wahl. Und wenn ich nochmal etwas machen lassen will, dann mache ich es auch – die Frage ist wohl eher, ob ich zu diesem Beauty-Standard wirklich etwas beitragen möchte, wenn ich mir doch selbst wünsche, mehr Frauen zu sehen, die sich mit 30, 40, 50 und 60+ ganz natürlich zeigen. Die mir zeigen, dass Altern nicht verteufelt oder versteckt werden muss. Nur möchte ich selbst dann irgendwie nicht die Frau sein, die vorangeht (die Ironie hier entgeht mir nicht).

Vom Mut, natürlich zu altern – und nachzuhelfen

Ich glaube, es darf sich auf beiden Ebenen etwas ändern – wir müssen aufhören, die zu verurteilen, die sich Eingriffen unterziehen, und gleichzeitig darf es bitte wieder zur Norm werden, ganz natürlich mit Falten und ohne Nachhilfe zu altern, ohne, dass ständig kommentiert wird, wie „mutig“ es sei, sich natürlich zu zeigen. Das ist nicht mutig, sondern natürlich. Was wirklich mutig ist? Sich eine Spritze ins Gesicht zu setzen und mit den Einstichschwellungen weiter am Alltag teilzunehmen – ich spreche da aus Erfahrung.

Die Lippen habe ich am Ende nicht mehr auffüllen lassen, und auch sonst keine Filler oder Beauty-Eingriffe. Manchmal gucke ich mir die Fotos an und denke, das wäre schon nochmal toll, gerade jetzt zum Sommer. Und dann gucke ich in meinen Geldbeutel und denke, es wäre auch schön, wenn ich das Geld in etwas investiere, das mir wirklich wichtig ist, und vielleicht nachhaltiger. Urlaube, zum Beispiel. Die machen die Haut vielleicht nicht glatter, bringen dafür aber meine Seele zum Leuchten – und wie schön ist es bitte, wenn wir einander jede Emotion, jeden Sonnenstrahl im Gesicht ablesen können?

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