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Tradwives: Warum die Anti-Feminismus-Bewegung alles andere als harmlos ist
Feierabend. Der Mann kommt nach einem langen Arbeitstag in sein blitzeblank geputztes Heim und wird dort von seiner treu sorgenden und perfekt gestylten Ehefrau empfangen. Es gibt Abendessen, die Frau bringt die Kinder ins Bett, um sich am Abend dann voll und ganz den Bedürfnissen ihres Liebsten zu widmen. Der nächste Tag läuft genauso ab: Der Mann geht zur Arbeit, während die Vorzeigegattin daheim bügelt, putzt, kocht und die Tischdecke glatt streicht. Was wie eine Szene aus Mad Men klingt, ist tatsächlich kein Drehbuchskript, sondern der Alltag einer Tradwife – einer traditionellen Ehefrau, die die klassische Rollenverteilung zwischen Ehemann und Ehefrau lebt und propagiert. Feminismus und Emanzipation lehnen Tradwives kategorisch ab – vielmehr fordern sie: Frauen gehören an den Herd, während der Mann arbeiten geht.
Es scheint abstrus, dass die Bewegung der Tradwives eben das propagiert, wogegen Feministinnen seit Jahrzehnten kämpfen – und dennoch ist vor allem in den sozialen Medien ein nicht zu leugnender Trend um dieses Lebensmodell entstanden. Tradwives geht es darum, Ehe- und Hausfrau zu sein – und zwar ausschließlich. Eine berufliche Karriere schließen sie für sich aus – einzig und allein aus dem Grund, um ihr Leben in traditioneller Rollenverteilung zu leben und sich darin ausschließlich den Bedürfnissen ihres Mannes, der Kinder und des Haushalts zu widmen, ganz wie im Jahr 1959.
Wenn der Mann verwöhnt wird, "als sei es 1959"
Das Skurrile an der Sache: Tradwives sehen sich selbst nicht als Anti-Feministinnen. Ganz im Gegenteil. Denn vielmehr drücke dieser Weg das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung aus. Eine der bekanntesten Tradwives unserer Generation ist die 34-jährige Alena Kate Pettitt. Die Gründerin des Benimm-Instagram-Accounts thedarlingacademy ist eine Tradewife durch und durch. Anfang des Jahres erklärte sie im britischen Frühstücksfernsehen, dass sie ihren Mann gerne "verwöhnt, als sei es 1959". Alenas Mission: Sie will Frauen beibringen, wie man eine tolle Hausfrau wird. In einem ihrer Artikel erklärt sie ihr Tradwife-Dasein wie folgt: "Ich mache von meinem Recht zuhause zu bleiben und für meine Familie zu sorgen, so viel Gebrauch, wie eine andere Frau von ihrem Recht auf Vollzeitarbeit. Keiner der beiden Wege ist falsch. Es ist einfach anders. Wir alle unterwerfen uns der einen oder anderen Sache. Ganz egal, ob es sich dabei um eine andere Person oder ein Unternehmen handelt. Ich unterwerfe mich meinem Ehemann, so wie er sich mir unterwirft. Das funktioniert in beide Richtungen. Das größte Missverständnis ist die Haltung gegenüber den Ehemännern. Er zwingt mich nicht, zuhause zu bleiben. Er verlangt es nicht, er erwartet es nicht."
Was sind Tradwives?
(engl. Klappwort aus traditionell (traditional) und Ehefrau (wife))
Als Tradwife bezeichnet sich eine Frau, die es vorzieht, eine unterwürfige Rolle in ihrer Ehe zu übernehmen. Tradwives propagieren eine klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau und verzichten auf eine berufliche Karriere, um sich stattdessen voll und ganz auf ihre Familien, die Kindererziehung sowie den Haushalt zu konzentrieren.
Was Feministinnen einen sprichwörtlichen Schlag ins Gesicht versetzt, ist für Alena und viele andere Tradwives eine Lebenseinstellung. Denn für sie steht das Wohl des Ehemannes an erster Stelle – ganz egal, ob die eigene Karriere dafür geopfert werden musste oder nicht. Für Tradwives ist es die persönliche Erfüllung, zuerst für den Mann, dann für die Kinder – und dann irgendwann für sich – zu sorgen.
Wie rechts ist die 50er-Jahre-Hausfrauen-Welt?
Doch die Adaption der heilen Welt einer liebenden und treu sorgenden Hausfrau aus den 50er-Jahren ist mehr als eine scheinbar romantische Interpretation einer gut funktionierenden Ehe. Denn so harmlos wie das Konstrukt der Tradwives dargestellt ist, ist es nicht. Vor allem in den USA wird der #tradwife-Trend von politisch rechten Randgruppen aufgegrifen. In einem Artikel für die New York Times geht die Autorin Annie Kelly sogar so weit zu behaupten, dass das Tradwife-Modell ein Versuch ist, die "rechte Welt" für Frauen attraktiver zu machen. Ihre Hypothese liefert sie gleich mit: In den sozialen Medien wird mit provokanten Posts Aufmerksamkeit erregt. Des weiteren wird ein Bild konstruiert, das das Hausfrauen-Dasein als emanzipiert und – und das ist der entscheidende Punkt – selbstbestimmt darstellt. Folglich wird die männerdominierende Bewegung für Frauen attraktiver gemacht. In einer Welt voller finanzieller Ängste, Jobverlust und existenzieller Unsicherheiten soll die Ehe und die Mutterschaft als einzig sicherer Hafen dargestellt werden, in den eine Tradwife einkehren kann, während ihr Mann die Familie ernährt und deren Existenz sichert.