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Die Sache mit dem Impostor Syndrom und warum das oft „so ein Frauen-Ding“ ist
Lasst uns eine kleine Zeitreise unternehmen. Genauer gesagt ins Jahr 2011. In diesem Jahr habe ich nämlich meine Magisterarbeit geschrieben. Während meiner gesamten Uni-Laufbahn habe ich nie so viel Herzblut, Mühe und Liebe in eine wissenschaftliche Arbeit gesteckt und eines lieben Tages trudelte dann der Brief (ja, damals liefen solche Vorgänge noch postalisch ab) mit der Benotung bei mir Zuhause ein … Ich gebe zu, insgeheim hatte ich mit Blick auf all die Zeit und Mühe, die in meiner Arbeit steckten, auf eine gute Note gehofft, doch was ich dann zu sehen bekam, hatte ich mir ehrlicherweise nie erträumt. Denn da war sie: die 1,0. Vom Erst- und Zweitprüfer attestiert. 1,0 plus 1,0 ergibt 1,0. Natürlich war ich happy, aufgelöst und stolz – doch im selben Atemzug war ich skeptisch und glaubte an einen Fehler.
Die nächsten Tage rechnete ich bei jedem Gang zum Briefkasten damit, darin befinde sich ein Brief mit einer Korrektur der Note und einer Entschuldigung des Sekretariates für diesen bedauerlichen Fauxpas. Doch der Brief blieb aus. Bis mir dann spätestens beim Nachgespräch mit meinem Professor klar wurde, dass ich tatsächlich eine schlicht und ergreifend gute (oder sogar sehr gute) Arbeit abgeliefert hatte …
Ladies and Gentlemen, welcome to the Impostor Club
Woher meine Zweifel damals kamen, kann ich relativ schnell beantworten: Ich war während meiner gesamten Zeit an der Uni nie besonders gut darin, wissenschaftliche Arbeiten zu verfassen. Oder anders gesagt: Meine wissenschaftlichen Arbeiten waren per se nie schlecht – nur hatte ich ein gnadenloses Talent dafür, am eigentlichen Thema vorbeizuschreiben. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus gewissermaßen eine Hausarbeiten-Phobie, die ich dann offenbar im Zuge meiner Abschlussarbeit überwinden konnte. Nichtsdestotrotz ertappte ich mich auch nach meinem Uni-Abschluss hier und da dabei, wie ich immer noch an der guten Benotung meiner Arbeit (oder gewissermaßen an meiner erbrachten Leistung) zweifelte: Haben die Proffs das wirklich richtig lektoriert? Wurde ich vielleicht einfach nur "nett" benotet? Ich brauchte tatsächlich eine ganze Weile, bis ich mich endlich ehrlich über die Tatsache freuen konnte, eine gute Abschlussarbeit geschrieben zu haben.
Tatsächlich fühlte ich mich aber manchmal als Hochstaplerin – inklusive der Angst "entlarvt" zu werden. Aber von wem eigentlich? Und warum? Denn was gibt es zu entlarven, wenn man gut ist in dem, was man tut?
Auch im späteren Arbeitsleben sollte ich immer mal wieder Bekanntschaft mit dem Phänomen machen, von mir erbrachte Leistung anzuzweifeln. Hätte ich damals gewusst, dass es sich bei meinen Zweifeln um ein waschechtes psychologisches Phänomen handelt, wäre mir vermutlich die ein oder andere schlaflose Nacht erspart geblieben.
Denn ich gehörte damals zum Impostor Syndrom Club. Ohne es zu wissen natürlich. Tatsächlich fühlte ich mich aber manchmal als Hochstaplerin – inklusive der Angst "entlarvt" zu werden. Aber von wem eigentlich? Und warum? Denn was gibt es zu entlarven, wenn man gut ist in dem, was man tut? Bis es mit Blick auf diese Frage "klick" bei mir gemacht hat, musste tatsächlich einige Zeit vergehen. Heute muss ich manchmal schmunzeln, wenn ich an meine Vereinsmitgliedschaft im Hochstapler Club zurückdenke. Und auch wenn ich mich heute als weitestgehend "geheilt" vom Impostor Syndrom betrachte, beschäftigt mich doch die Frage nach den Gründen, die einige von uns in diesen Club eintreten lassen …
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Was ist das Impostor Syndrom oder Hochstapler Syndrom?
Das Hochstapler Syndrom, teilweise auch Impostor Syndrom genannt, ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Betroffene von massiven Selbstzweifeln hinsichtlich eigener Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge geplagt werden und unfähig sind, ihre persönlichen Erfolge zu internalisieren.
Quelle: Wikipedia
Impostor Syndrom? Das ist doch wieder so ein Frauen-Ding – leider ja …
Lasst uns also eine zweite Zeitreise unternehmen. Jetzt geht es zurück in die 80er-Jahre. Denn damals haben die amerikanischen Psychologinnen Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes zum ersten Mal den Begriff "Impostor Syndrom" verwendet. Die beiden gingen davon aus, dass es sich hierbei um ein rein weibliches Syndrom handelt. Und auch wenn diese These inzwischen widerlegt wurde, leiden dennoch viel mehr Frauen an dem Hochstapler Syndrom als Männer.
Warum das so ist, zeigen ein, zwei Blicke auf die Gesellschaft. Denn es sind die Frauen, denen lange genug eingebläut wurde, dass sie niemals die Fähigkeiten eines Mannes erreichen würden. Die logische Konsequenz für viele Frauen? Schlechtere Jobs, mieseres Gehalt, weniger Führungspositionen. True Story.
Kein Wunder also, dass sich sogar im Hier und Jetzt viele Frauen oft noch fragen, ob sie die Stellung in einer Führungsposition vielleicht nur wegen der Frauenquote bekommen haben. Oder viele Frauen sich fragen, ob sie den Job nur bekommen haben, weil schlicht und ergreifend zu wenig Konkurrenz da war. Oder weil sie einfach nur Glück gehabt haben. Das darauf resultierende Tiefstapeln führt dann nicht selten dazu, dass Frauen ihre Leistungen weniger erkennen und sich mehr auf ihre Schwächen als auf ihre Stärken konzentrieren – ein nicht ungefährlicher Teufelskreis.
Ein Hochstapler kommt niemals allein …
Fest steht: Hier und da gesunde Selbstzweifel zu haben und die eigene Leistung auch mal kritisch zu hinterfragen, ist etwas, das bei einer gesunden Lebenseinstellung nicht fehlen sollte. Was jedoch ebenso wenig fehlen sollte, ist Selbstvertrauen. Selbstvertrauen in das eigene Können, in die eigene Talente und die vollbrachten Leistungen.
Auch ich habe das in den vergangenen Jahren erst lernen müssen und ertappe mich ab und zu noch immer dabei, wie ich ab und zu an der Vereinstür des Hochstapler Clubs anklopfe. Aber dann erinnere ich mich wieder daran, dass wir alle stolz auf das sein dürfen, was wir geleistet haben und jeden Tag aufs Neue leisten. Sich auch mal selbst auf die Schulter zu klopfen, ist nämlich nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich gewünscht. Wenn uns dann doch mal Zweifel kommen sollten, macht der Austausch mit Freund:innen und Kolleg:innen immer Sinn, denn aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wer einen kleinen Hochstapler in sich beherbergt, ist damit in der Regel nie allein …
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