Kinderfrei
unsplash/Jakob Owens

Kinderwunschlos glücklich – 5 Leserinnen erzählen ihre Geschichte | Teil 1

Die Sache mit dem kinderwunschlos glücklich sein. Für die einen von uns ein fest verankertes Bewusstsein, das nie infrage gestellt oder angezweifelt wurde. Für die anderen möglicherweise eine Lebensentscheidung, für die zunächst eine kleine (oder längere) Reise nötig war. So oder so: Sich selbstbestimmt für ein Leben ohne Kinder zu entscheiden, steht noch immer im Bewusstsein vieler Menschen ganz weit oben auf einer verinnerlichten Tabu-Liste. Aus genau diesem Grund haben wir euch kürzlich nach eurer ganz persönlichen Childfree-by-Choice-Reise gefragt und was sollen wir sagen: Es haben uns bereits zahlreiche Geschichten von euch erreicht, in denen ihr uns von eurem Weg erzählt habt.

Die ersten fünf eurer Geschichten möchten wir hier heute im ersten Teil unserer Community-Reihe erzählen – danke für euer Vertrauen!

Kinderfrei

Das erste Mal beschäftigte ich mich mit dem Thema, als ich ein Interview mit Orna Donath, zur Veröffentlichung ihres Buches „Wenn Mütter bereuen = #regretting motherhood“ im Jahr 2016 las. Die dort befragten Frauen antworteten sinngemäß alle auf die Frage, ob sie ihre Mutterschaft rückgängig machen könnten mit: ja.

Diese Antwort schockierte mich zunächst, brachte mich dann aber unweigerlich dazu, meine Rolle als mögliche Mutter und auch die Rolle meiner eigenen Mutter zu überdenken. Meine Mutter und ich hatten nie ein einfaches Verhältnis und ich habe mich bis heute nicht getraut zu fragen, ob sie es bereut, meinen Bruder und mich auf die Welt gebracht zu haben. Wenn ich meine Kindheit rückblickend betrachte, glaube ich, dass meine Mutter zu einem großen Teil mit ihrer Rolle als Mutter überfordert war. Früh getrennt, alleinerziehend, in Vollzeit arbeitend, den Haushalt alleine meisternd und dementsprechend oft energie- und lustlos. Als Kind habe ich sehr darunter gelitten, dass meine Mama nicht die war, die mit uns gespielt oder gebastelt hat, wir haben mit ihr keine Aktivitäten unternommen – dazu hatte sie einfach keine Energie, sie hat sich oft zurückgezogen und mein kleiner Bruder und ich haben früh gelernt, für uns selbst verantwortlich zu sein.

Das Interview mit Orna Donath las ich im Jahr 2016 mit 29 Jahren, ein paar Freundinnen und Freunde bekamen zu diesem Zeitpunkt bereits ihre ersten Kinder, eine Hochzeit folgte auf die nächste. Auch ich bekam in diesem Jahr meinen Heiratsantrag und war voller Vorfreude auf das, was da noch kommt. Sechs Monate später löste ich jedoch die Verlobung, ließ den gemeinsamen Freundes- und Bekanntenkreis hinter mir und brach zu neuen Ufern auf. Heute weiß ich, dass das, was mein Verlobter als Zukunft sah (Haus, Kinder, heile Welt) absolut nicht das war, was ich wollte. Also flüchtete ich, jedoch noch nicht ahnend, was ich eigentlich will.

Kurz nach der Trennung traf ich meinen jetzigen Freund wieder. Lange hatten wir uns aus den Augen verloren, einmal wieder getroffen, voll verliebt, er Single, ich Single – alles perfekt. Neu war für mich jedoch, dass er eine fünfjährige Tochter mit in die Beziehung brachte. Wir alle verliebten uns schlagartig ineinander und wir verbrachten viel Zeit miteinander. Schnell wurde mir klar, dass ich mit dem Tempo, der Intensität und der Verantwortung als Elternteil überhaupt nicht klarkam. Ich geriet total schnell an meine Belastungsgrenzen und brauchte sehr viel Zeit und Ruhe für mich. Und schnell begriff ich: Das möchte ich nicht, ich möchte immer und zu jeder Zeit meine Ruhe haben.

Irgendwann sprach ich dann mit einer guten Freundin darüber, sie war grade mit ihrem zweiten Kind schwanger und hatte eine ziemliche Odysee hinter sich gebracht, überhaupt nochmal schwanger zu werden. Ich erzählte ihr von meiner Überforderung und sie war der Meinung, dass das anders sei, wenn ich meine eigenen Kinder hätte, dass das sicherlich nur so sei, weil es eben „nur“ meine Stieftochter sei.

"Es ist nämlich die eine Sache, für sich selbst bereits zu wissen, dass man keine Kinder haben möchte – eine völlig andere ist es jedoch, mit dem gesellschaftlichen Druck umzugehen."

Im Jahr 2019 bekam ich dann die Diagnose „Endometriose“, ließ mich operieren und bekam unmittelbar nach der Operation die Nachricht, dass der Befall sehr großflächig gewesen sei, die Verwachsungen aber nun entfernt wurden und ich sofort schwanger werden könne. Dies sei der sicherste Weg, dass die Verwachsungen nicht mehr wuchern würden. Ich reagierte sehr geschockt und fragte sofort, was es denn für Alternativen gäbe. Da eine Schwangerschaft für mich nicht infrage komme, käme nur eine hormonelle Verhütung infrage. Eine Woche später ließ ich mir die Hormonspirale setzen und war glücklicher als je zuvor. Nach der Operation nahm ich mir sehr viel Zeit über Vieles in meinem Leben nachzudenken und beschäftigte mich intensiv mit dem Thema Kinderwunsch. Zu diesem Zeitpunkt kämpften sehr viele meiner Freundinnen und Freunde damit, überhaupt schwanger zu werden und ich begriff erst allmählich, was es bedeutet, einen Kinderwunsch zu haben. Dieser unabdingbare Wunsch, ein Leben in die Welt zu setzen, sich Operationen und Hormonbehandlungen zu unterziehen, schnell zu heiraten, um noch die teilweise Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen zu bekommen etc., hat mich sehr beeindruckt und mir auch immer mehr gezeigt, dass ich diesen Wunsch nicht habe, nie hatte und nie haben werde.

"Heute bin ich 35 Jahre alt, sehe meine Stieftochter und denke: Besser könnte es nicht sein. Ich bin große Schwester, beste Freundin und wenn gebraucht: Bonusmama."

Zum Zeitpunkt der Operation befand ich mich schon einige Jahre in Psychotherapie und nutze diese nun dazu, mit meiner Unsicherheit bezüglich des Kindeswunsches umzugehen. Es ist nämlich die eine Sache, für sich selbst bereits zu wissen, dass man keine Kinder haben möchte – eine völlig andere ist es jedoch, mit dem gesellschaftlichen Druck umzugehen. Meine Strategie war: so offen und ehrlich mit dem Thema umzugehen. Die meisten Menschen nehmen keine Rücksicht darauf, was es bedeutet, eine Frau zu fragen, wann sie denn nun Kinder bekommt, also kann man dann auch ganz offen und ehrlich antworten. Ich antworte meistens mit einem niederrheinischen: „Boah näh!“. Damit ist dann meistens alles gesagt und ich zaubere meinem Gegenüber noch ein Lächeln ins Gesicht.

Im Sommer 2020 fand ich auf einem benachbarten Bauernhof zwei kleine, mutterlose Kätzchen. Der Bauer sagte, die Mama sei vor wenigen Tagen überfahren worden, wenn ich wolle, könne ich sie mitnehmen. Als Alltime-Catlover und immer auf der Suche nach der richtigen Gelegenheit, mir wieder ein Haustier zuzulegen, zögerte ich nicht lange und nahm die beiden Waisenkinder bei mir auf. Die beiden Mädels sind meine ersten eigenen Haustiere im Erwachsenenalter und was soll ich sagen? Es ist die beste Mutterrolle, die ich mir jemals hätte vorstellen können.

Heute bin ich 35 Jahre alt, sehe meine Stieftochter und denke: Besser könnte es nicht sein. Ich bin große Schwester, beste Freundin und wenn gebraucht: Bonusmama.

kinderfrei

Mit Anfang 20 beschäftigte ich mich gelegentlich mit Gedanken über das Leben mit Kindern. Ich notierte sogar einige Babynamen in meinem Handy, die mir gefielen und fragte meinen Partner, wie er die Namen findet. Dennoch spürte ich keinen überwältigenden Druck, mich bald dem Kinderkriegen zu widmen. Für mich persönlich war das Muttersein keine absolute Traumvorstellung, aber ich dachte, dass es irgendwann passieren wird. Meine Mutter ermutigte mich stets, mein Leben in vollen Zügen zu genießen, bevor ich mich einem solch bedeutsamen Schritt hingeben würde. In meinem Freundeskreis gab es viele, die andere Prioritäten hatten, und einige zweifelten sogar daran, ob sie jemals Kinder haben möchten. Zu jener Zeit hatte ich mich selber jedoch noch nicht intensiv mit der Frage nach eigenen Kindern auseinandergesetzt, obwohl mit Mitte 20 sich andere schon häufiger für meinen Lebensentwurf interessierten und fragten, ob und wann ich Kinder möchte und ich dann doch irgendwann bei jeder weiteren Frage genervt war.

Doch dann ereignete sich eine tragische Wendung in meinem Leben: die Diagnose Krebs. Die Aussicht auf eine Strahlentherapie im Beckenbereich machte mir bewusst, dass meine Eierstöcke in ihrer Funktion stark beeinträchtigt werden und ich mit nur 27 höchstwahrscheinlich in die Menopause katapultiert werden würde. Interessanterweise war mein erster Gedanke nicht, wie schwierig es werden könnte, eigene Kinder zu bekommen, sondern vielmehr die Sorge um Osteoporose. Doch trotzdem war ich unvermittelt dazu gezwungen, mich mit der Frage nach meinen Kinderwünschen auseinanderzusetzen. Im Krankenhaus erklärte mir eine einfühlsame Ärztin alle Optionen zur Fruchtbarkeitserhaltung und betonte dabei, dass meine Entscheidung letztendlich die richtige sein würde, ganz gleich, wie ich mich entscheide.

"Man verliebt sich, heiratet, baut ein Haus und gründet eine gemeinsame Familie. Ich kannte nur diesen Weg und somit dachte ich, dass andere Lebenswege nicht glücklich machen können."

Obwohl mir verschiedene Möglichkeiten wie das Einfrieren von Eizellen oder die Entnahme von Eierstockgewebe erklärt wurden, wofür ich auch genug Zeit gehabt hätte, empfand ich die Entscheidung als überraschend leicht. Ich entschied mich, nichts zu unternehmen und meine Eierstöcke ihrem Schicksal zu überlassen. Es kümmerte mich reichlich wenig, ob ich mich von Fruchtbarkeit verabschieden muss. Ich war vollkommen zufrieden mit meiner Entscheidung und teilte meinem Umfeld mit, dass ich mich gegen jegliche Eingriffe entschieden habe. Trotz meiner Zufriedenheit äußerten doch einige Bedenken, dass ich meine Entscheidung bereuen könnte und doch eigene Kinder haben möchte. Ich fragte mich, warum sie nicht wie die Ärztin reagieren konnten, die meine Entscheidung weder bewertete noch mir etwas empfahl, sondern vollstes Vertrauen in meine Zurechnungsfähigkeit hatte. Ich war schockiert, dass selbst in so einer Lebenslage meine Entscheidung angezweifelt wurde. Ein wahrer Schock traf mich, als meine beste Freundin mir mitteilte, dass ihre Gynäkologin mir empfahl, Maßnahmen zur Erhaltung meiner Fruchtbarkeit zu ergreifen. Es fühlte sich fast schon übergriffig an, dass eine mir völlig fremde Ärztin, ohne Kenntnis meiner persönlichen Wünsche, einen scheinbar professionellen Rat in Bezug auf mein Leben abgab.

Letztendlich veränderte sich der Kurs meiner Behandlung, und meine Eierstöcke wurden verschont, da die Radiotherapie nicht mehr notwendig war. Jetzt bin ich 29, in Remission, und mein Leben beginnt sich allmählich wieder zu normalisieren. Und ich denke auch wieder darüber nach, ob sich der Kinderwunsch denn doch jetzt anbahnt. Dennoch sehe ich mich nicht als zukünftige Mutter, selbst wenn die Möglichkeit weiterhin besteht, da die Chemotherapie meine Fruchtbarkeit nicht beeinträchtigt hat. Im Rückblick kann ich sagen, dass die Krebsdiagnose meine Entscheidung herausgekitzelt hat. Wäre es vielleicht anders gekommen, hätte ich die Krankheit nicht gehabt? Das kann sein.

Ich erkenne aber auch, dass ich nie wirklich einen innigen Wunsch verspürt habe, Mutter zu werden. Wenn andere über diese Wünsche sprechen, konnte und kann ich diese nie nachvollziehen oder gar nach"fühlen". Vielmehr war es für mich immer ein Automatismus, der von gesellschaftlichen Erwartungen geprägt war. Man verliebt sich, heiratet, baut ein Haus und gründet eine gemeinsame Familie. Ich kannte nur diesen Weg und somit dachte ich, dass andere Lebenswege nicht glücklich machen können. Zwei meiner engen Freundinnen haben inzwischen Kinder bekommen, und unsere Freundschaft hat sich dadurch nicht wesentlich verändert. Doch manchmal mache ich mir schon Sorgen, dass unsere Wege sich trennen könnten, wenn doch der Großteil meiner Freund*innen Kinder haben.

Jetzt, mit fast 30, werde ich natürlich mit der Kinderfrage vermehrt konfrontiert, und die Erwartung steigt immer mehr, dass ich mich dem Nestbau fügen müsse. Noch wird meine Antwort meistens akzeptiert, vermutlich wegen meiner überstandenen Krankheit. Dennoch denke ich, dass auch in ein paar Jahren, wenn diese schlimme Zeit verjährt, auch wieder weniger Verständnis entgegengebracht wird. Noch heute denke ich an die Gynäkologin, die mich vor zwei Jahren aufgeklärt hat. Die einfache Akzeptanz für meine Entscheidung ohne ein großes "Aber" habe ich fast schon als besonders wahrgenommen. Ich wünsche mir, dass die Menschen in meinem Umfeld, aber auch Fremde, meine Entscheidung kindfrei zu leben genauso annehmen können, denn meine Entscheidung ist die Richtige für mich.

Der Wunsch, irgendwann einmal Mutter zu sein, war eine Konstante in meinem Leben, die ich nie infrage stellte. Ich erinnere mich sogar, dass ich schon als Kind dachte, dass ich dann eben adoptieren würde, falls ich keine Kinder bekommen könnte. Und so klebte ich Jahr für Jahr Bilder von glücklichen Familien auf mein Vision Board. Sogar als mein Mann an Hodenkrebs erkrankte und sich die Möglichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, tatsächlich in Luft auflöste. Dann adoptieren wir eben, da waren wir uns einig, dachte ich. Doch so richtig wollte die ganze Sache nicht in Gang kommen. Gespräch um Gespräch diskutierten wir, hinterfragten und kamen doch nicht zu einem 100%-igen „Ja, wir machen das jetzt“. Und irgendwann fasste sich mein Mann ein Herz und gab zu, dass er gar nicht unbedingt Kinder wollte und ihm diese enorme Herausforderung einer Adoption auch richtig Angst machte. Ich verlor den Boden unter den Füßen, weil die Erkenntnis nicht nur die Vorstellung für mein Leben, sondern auch die Grundfesten unserer Beziehung ins Wanken brachte. Ich respektierte seine Entscheidung, doch sollte ich mich jetzt trennen und mir einen anderen Partner mit Kinderwunsch suchen? Oder sollte ich es auf eigene Faust versuchen?

"Ich glaube, dass meine Aufgabe in dieser Welt eine andere ist und ich bin gespannt darauf, welche es sein wird. Heute sehe ich es überhaupt nicht als einen Verlust, sondern einen Gewinn für andere Möglichkeiten, andere Wege und schlussendlich auch für mich selbst."

Dieser Moment der Ungewissheit gab mir jedoch auch die wunderbare Gelegenheit, selbst einmal zu reflektieren, was ich eigentlich vom Leben wollte und was mir tatsächlich wichtiger war: eine gesunde Beziehung oder der Wunsch Mutter zu sein?
Und in diesem Prozess habe ich für mich selbst die wichtigste Erkenntnis gefunden: Ich brauchte niemanden, nicht meinen Mann und auch kein Kind, um ein erfülltes, glückliches Leben zu führen. Doch ich wollte mein Leben mit diesem Mann teilen, das wollte ich vor zehn Jahren, als wir geheiratet haben, und das möchte ich noch immer. Und dafür konnte ich mich entscheiden, mit dem Vertrauen, dass ich meinem Leben auch einen anderen Sinn geben konnte als Nachwuchs zu produzieren.

Und je länger diese Entscheidung jetzt zurückliegt, desto sicherer fühle ich mich damit. Ich glaube, dass meine Aufgabe in dieser Welt eine andere ist und ich bin gespannt darauf, welche es sein wird. Heute sehe ich es überhaupt nicht als einen Verlust, sondern einen Gewinn für andere Möglichkeiten, andere Wege und schlussendlich auch für mich selbst. Es war sicher keine leichte Entscheidung, doch ich bin froh darüber, dass ich eine Wahl hatte, ganz im Gegensatz zu so vielen Frauen in der Vergangenheit und in der Gegenwart, die sich diese Entscheidungsfreiheit nur wünschen würde.

Kinderfrei

Ich bin 34 und wusste schon sehr früh, dass ich keine Kinder möchte. Mich haben Kinder an sich nie interessiert, habe auch selbst als Kind nie mit Puppen gespielt, weil ich damals auch schon nicht wusste, was ich damit anfangen soll. Später hab ich dann immer mehr gemerkt, dass ich kein Bedürfnis verspüre, Mutter zu werden. Als ich dann die Diagnose PCOS bekommen habe mit der Info, dass es schwierig sein kann, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, hab ich das noch mehr als Bestätigung gesehen.

"Am Anfang haben viele noch Sachen gesagt wie "Wenn du den richtigen Mann findest, wird es sich noch ändern" oder "Du bist ja noch jung, das wird schon". Jetzt ist es so, dass meine engen Freund*innen meine Entscheidung akzeptieren, teilweise sogar bewundern wie offen ich dazu stehe."

Es gibt viele Situationen, in denen ich merke, dass das Bedürfnis danach Mutter zu werden, nicht da ist. Ich bin gerne Tante für meine Patenkinder, aber das war's auch schon.

Mein Umgang mit diesem Thema ist sehr offen. In der Familie war/ist es ein langer Weg, bis diese Tatsache akzeptiert wurde. Auch weil ich gegenüber vertrauten Personen auch dazu stehe, dass "keine Kinder" für mich auch "keine Schwangerschaft" bedeutet. In meinem Freundeskreis sind die Reaktionen immer unterschiedlich. Am Anfang haben viele noch Sachen gesagt wie "Wenn du den richtigen Mann findest, wird es sich noch ändern" oder "Du bist ja noch jung, das wird schon". Jetzt ist es so, dass meine engen Freund*innen meine Entscheidung akzeptieren, teilweise sogar bewundern wie offen ich dazu stehe.

Die Beziehungen zu meinen Freund*innen mit Kindern hat sich insofern nur zum Teil verändert, sie wissen, dass ich nicht nur über Kinder sprechen möchte. Grundsätzlich ist es aber schwierig den Kontakt mit Freund*innen aufrechtzuerhalten, sobald sie Kinder haben. Vor allem, wenn man keine Kinder hat, die dann mit den anderen spielen könnten, oder man die Freund*innen zu Gesprächen ohne Kinder treffen möchte.

kinderfrei

Ich heiße Kerstin, werde nächsten Monat 40 Jahre alt und freue mich darüber, denn ich bin der Meinung, dass jeder Lebensabschnitt wundervolle Seiten mit sich bringt und ich mich gerne von meinem turbulenten und teilweise sehr schmerzhaften 30ern verabschiede.
Wo fange ich an? Vielleicht mit den zentralen Lebensentscheidungen: Ich hatte das große Glück, meinen langjährigen Partner und Ehemann sehr früh kennenzulernen. Ich war 16 Jahre und als ich knapp 20 war, haben wir geheiratet. Damals natürlich auch von vielen Seiten Skepsis und ernste Sorgen, aber ich war mir noch nie einer Sache so sicher und es hat sich bewahrheitet. Ich durfte 14 Jahre mit meinem Mann verheiratet sein und es waren wundervolle Jahre (natürlich mit Ups and Downs). Das Beste war unsere gegenseitige bedingungslose Wertschätzung und Unterstützung. Er war z.B. Feminist und hat mit mir diskutiert und demonstriert für Frauenrechte und gegen das Patriarchat.

Zu Beginn unserer Beziehung war uns beiden klar, dass wir einmal Kinder haben möchten. Dann ging die Zeit ins Land und wir haben beide immer Gründe gesucht und gefunden, um dieses Thema aufzuschieben (Studium, Berufstätigkeit, Hausumbau). Freundinnen und Familienmitglieder haben die ersten Kinder gekriegt, ich wollte auch dazugehören. Beziehungen haben sich massiv verändert, was sehr schmerzhaft für mich war. Treffen oder Telefonate waren schwierig abzustimmen, denn ich habe Vollzeit gearbeitet und abends, wenn ich Zeit hatte, waren die Mütter mit Abendessen und Bettgehritualen beschäftigt, die Wochenenden gehörten der Familie usw. Einige sehr enge Kontakte sind für mich weggebrochen (ich mache niemandem Vorwürfe, die Lebensrealität ist einfach eine völlig andere).

"Die Vorstellung von Mutterschaft, die ich hatte, war romantisiert und mich hätte die Realität wahrscheinlich ziemlich hart getroffen."

Da der Kinderwunsch bei meinem Mann irgendwann sehr präsent wurde und ich mir das ja auch immer gewünscht/vorgestellt hatte, Mutter zu werden, haben wir es versucht. Wie so viele, mit dem Vorsatz, dass es die Beziehung nicht belasten soll, dass der Ausgang zweitrangig sei, dass wir ja uns haben usw. Ich habe Endometriose und die Ärzte und Ärztinnen haben mir schon lange prognostiziert, dass es für mich schwierig werden könnte, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. So war es dann auch. Dann haben wir tatsächlich eine weitergehende Diagnostik machen lassen und es kam heraus, dass das Sperma meines Mannes zu wenig, zu langsam usw. ist und es auf natürlichem Weg nicht klappen könne.

Ein Schock für meinen Mann, ich habe ihn bis dahin noch nie so gesehen. Was das auslösen kann und wie es an seinem Selbstbewusstsein, seiner Männlichkeit usw. genagt hat, das war extrem. Aber auch nicht verwunderlich, wenn wir uns die Bilder von Männlichkeit anschauen in unserer Gesellschaft.
Somit waren wir mittendrin in der Unfruchtbarkeitsspirale und haben eine Kinderwunschbehandlung gestartet. Ich hatte immer Zweifel an diesem Weg und auch mittlerweile an der Vorstellung von Muttersein. Ich habe in meinem Umfeld gesehen, was es mit Frauen macht und hatte Angst davor. Freundinnen mit Kindern, denen ich mich anvertraut habe, haben mir zugeredet, Zweifel seien normal und das sei es alles wert. Wenn das Kind erstmal da sei, dann werde man für alles entschädigt usw. und ich wäre eine solch tolle Mutter.

Also die Hormonspritzen und das ganze Übel ertragen. Es war wirklich ein Übel. Der erste und einzige Versuch hat nicht geklappt, ich war tief depressiv, psychisch natürlich aber auch wegen der Hormone, die ja in völlig übertriebener Dosis im Körper wüten und dann schlagartig absinken, da es zu keiner Schwangerschaft gekommen ist. Als die medizinisch verordnete Pause vorbei war und wir den nächsten Zyklus hätten starten können, stand ich mit dem Rezept vor der Apotheke und dachte mir: Was tust du da? Ich habe meinen Mann angerufen und geweint und gesagt, dass ich das nicht will. Er war sofort einverstanden.

Kurze Zeit später erhielt er die Diagnose schwarzer Hautkrebs und einige Monate später ist er daran gestorben. Ich musste um ihn trauern und Abschied vom Kinderwunsch nehmen. Oder auch nicht? Ich habe mich irgendwann informiert über die Möglichkeiten, Mutter zu werden (ohne Mann) und es gibt ja tatsächlich Möglichkeiten. Ich spreche jetzt nicht von einem OneNightStand, bei dem der Mann nur benutzt wird und nicht darüber informiert wird, dass er Samenspender sein soll (solche Vorschläge habe ich durchaus aus meinem Freundeskreis gehört). Ich habe fleißig Informationen gesammelt und mir irgendwann eingestanden, dass das doch gar nicht mehr Ich bin und mich ernsthaft damit beschäftigt: Wieso will ich unbedingt ein Kind? Weil es normal ist, weil es die meisten so machen, weil ich dazugehören möchte?

"Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz für kinderfreies Leben und wenn ich nicht so gefangen gewesen wäre in meinen traditionellen Vorstellungen, dann wäre mir viel Leid erspart geblieben."

Ich habe mir also eingestanden, dass ich keine Mutter sein werde und habe getrauert und Abschied vom Kinderwunsch genommen, Bücher gelesen, nach Communities gesucht und mich dort nicht aufgehoben gefühlt. Wieso? Weil es immer wieder den Trend gab: nicht aufgeben, es kann noch klappen oder die pure Verzweiflung und Trostlosigkeit (nicht alle Accounts natürlich, es gibt auch tolle mit sehr viel Selbstbewusstsein). Ich saß also auf meinem Sofa und habe gejammert und mich mit meinen zwei Katzen zurückgezogen, ich war die klassische Crazy cat Lady. So konnte es nicht weitergehen. Also Arsch hochkriegen, wieder lesen, lesen, lesen. Diesmal über gewollte Kinderlosigkeit und da bin ich auf die Begriffe „childfree not childless“ gestoßen und es ist mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Mir fehlt nichts, das wird mir nur von Außen eingeredet und seit Kindheitstagen werden wir Mädchen darauf gepolt, eines Tages Mutter zu sein.

Die Vorstellung von Mutterschaft, die ich hatte, war romantisiert und mich hätte die Realität wahrscheinlich ziemlich hart getroffen. Je älter ich werde, desto froher bin ich, dass ich keine Kinder habe. Eigentlich hasse ich Sätze wie: Alles hat einen Sinn und es kommt immer wie es kommen muss, aber in diesem Aspekt bin ich dankbar dafür. Geholfen hat mir die Childfree-Community im Internet und vor allem Sinas Account/ihre Vernetzung. Ich bin in einem Buchclub zum Thema und möchte in meinem Umfeld Vorbild sein. Ich bin die einzige Frau in meiner Familie, die keine Kinder hat und ich möchte die kinderfreie Tante sein, die ihr Leben rockt und glücklich ist. Vielleicht erkennen meine Neffen und Nichten, dass es auch andere Lebenswege gibt und diese gleichwertig sind und vielleicht können sie ihre Entscheidung später wirklich selbstbestimmt treffen und nicht aus dem Druck heraus, endlich mitzumachen und dazuzugehören.

Mittlerweile bin ich eine neue Partnerschaft eingegangen mit einem Mann, der überzeugt kinderfrei lebt und keinen Kinderwunsch verspürt und wir genießen unsere gemeinsame Zeit. Wir lieben es auf Hard-Rock-Konzerte/Festivals zu gehen, wir machen zusammen Musik usw. Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz für kinderfreies Leben und wenn ich nicht so gefangen gewesen wäre in meinen traditionellen Vorstellungen (Heiraten, Haus kaufen, Kinder kriegen), dann wäre mir viel Leid erspart geblieben. Denn dann hätte ich mich nicht so leer und ausgegrenzt gefühlt im Nicht-Mutter-Sein.
Manchmal frage ich mich, wie ich das nicht sehen konnte. Ich als Feministin, die weiß, dass das Patriarchat Frauen als Mütter braucht und alle anderen Entscheidungen verachtet (wobei das Patriarchat auch Mütter verachtet) … aber ja, auch ich bin Teil des Ganzen …

Lange Rede … heute bin ich glücklich kinderfrei.

Gefällt dir? Dann sag's weiter: