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Karrierefixiert und egoistisch: Lasst uns das Narrativ der verbitterten Frau ohne Kinderwunsch endlich ad acta legen
Kaum etwas in meinem Leben wurde von anderen Menschen so sehr kommentiert, bewertet und analysiert wie meine selbstbestimmte Kinderlosigkeit. Um besagte Kommentare, Bewertungen und Analysen habe ich nie gebeten – und dennoch sind sie da. Ob ich will oder nicht. Und mit inzwischen mehr Ende als Anfang 30 kann ich sagen: Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Denn kinderlos zu leben und die Tatsache, inzwischen 38 Jahre alt zu sein, geht häufig mit der Tatsache einher, nochmal eindringlich damit konfrontiert zu werden, dass meine biologische Uhr inzwischen ziemlich laut tickt. Tick, tack, tick, tack. Und mit jeder verstreichenden Sekunde besagter Uhr wird ein buntes Potpourri der Argumente ausgepackt, warum ich nicht doch noch Mutter werden müsse. Eine klitzekleine Tatsache spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle: meine selbstbestimmte Entscheidung, ein glückliches Leben zu führen – ohne eigene Kinder.
Frauen, die keinen Kinderwunsch verspüren, einreden zu wollen, sie würden irgendwann etwas vermissen, ihre Entscheidung bereuen oder irgendwann noch an den berühmt-berüchtigten Punkt gelangen, an denen sie sich nichts sehnlicher wünschen als ein Kind, wird in der Regel von Menschen mit Kindern betrieben. Ich für meinen Teil kann gar nicht sagen, wie oft mit mir solche Gespräche geführt wurden – natürlich ungeachtet der Frage, ob ich das möchte oder nicht. Und apropos Frage: Eine ganz besondere Fragestellung kommt mir bei all diesen „Gesprächen“, die in der Regel Monologe mit entsprechend geringem Redeanteil meinerseits sind, immer wieder in den Sinn: Der Grund nach der Initialzündung für besagten Dia- beziehungsweise Monolog. Denn ich für meinen Teil habe bislang noch nie darum gebeten, mir erklären zu lassen, warum ich mein selbstbestimmtes Dasein ohne Kinder irgendwann bereuen werde. Warum also fühlen sich manche Eltern geradezu aufgefordert, mich mit genau diesen vermeintlichen Zukunftsvisionen zu konfrontieren? Kein Wunder also, dass ich mich nicht selten frage, ob meine Gegenüber all ihre Appelle wie „Und wer kümmert sich dann im Alter um dich?!“ oder „Nicht, dass du deine Entscheidung eines Tages bereust“ gar nicht mir, sondern vielleicht auch ein kleines bisschen sich selbst erzählen wollen.
„Hier kommt der ultimative Joker im Kinderfrei-Game zum Einsatz: das Narrativ der verbitterten, kinderlosen Frau, die ohnehin nur auf ihre Karriere fixiert ist, sich ein laues Leben mit vielen Urlauben und Luxusgütern machen will und unterm Strich total egoistisch ist. Uff … Ich kenne genau diese Darstellung von kinderfrei lebenden Frauen sehr gut, denn ich bin eine von ihnen – zumindest in den Köpfen vieler Menschen.“
Geht es um bewusst kinderlos lebende Frauen, fällt mir aber auch eine weitere Sache auf: dass sich Menschen, die mit dieser Entscheidung rein gar nichts zu tun haben, dazu inspiriert fühlen, zwei Arten von Gesprächen zu führen. Da wäre zum einen der übergriffige Impuls, besagten Frauen einreden zu wollen, sie würden einen Fehler begehen. Solche Gespräche werden face-to-face geführt – inklusive des Arbeitsauftrages, die kinderlose Frau zu bekehren und ihr zu vermitteln, ihr Weg sei falsch und unüberlegt. Und zum anderen wäre dann da die nicht weniger übergriffige Variante des hinter-dem-Rücken-darüber-sprechen-wie-ergoistisch-so-eine-Entscheidung-bitte-ist. Hier kommt der ultimative Joker im Kinderfrei-Game zum Einsatz: das Narrativ der verbitterten, kinderlosen Frau, die ohnehin nur auf ihre Karriere fixiert ist, sich ein laues Leben mit vielen Urlauben und Luxusgütern machen will und unterm Strich total egoistisch ist. Uff … Ich kenne genau diese Darstellung von kinderfrei lebenden Frauen sehr gut, denn ich bin eine von ihnen – zumindest in den Köpfen vieler Menschen.
Über Frauen ohne Kinderwunsch wird gesprochen. Diskutiert. Sich gewundert. Und es erweckt mitunter den Anschein, Menschen mit Kindern brauchen Menschen ohne Kinderwunsch ganz dringend in ihrem Leben, um eben jene hitzigen Debatten über andere Lebensentwürfe und Co. führen zu können. Dass eine wegweisende Entscheidung im Leben eines anderen Menschen damit vollkommen ignoriert wird, spielt dabei häufig keine Rolle, was mich zum nächsten Punkt bringt. Denn ich denke, dass Mütter und Väter, die eben jene Debatten über kinderfreie Menschen führen, dies nicht aus Böswilligkeit tun. Jedoch habe ich den Eindruck, viele von ihnen fühlen sich in der Tatsache, dass sich ein anderer Mensch für einen anderen Lebensentwurf entschieden hat, bedroht und somit wird die sprichwörtliche Flucht nach vorn gewählt. Aber wovon sollte man sich bedroht fühlen, wenn man doch happy mit seiner Entscheidung ist? Immerhin hat doch meine Entscheidung, kinderlos zu leben, nichts mit ihrem Leben mit Kindern zu tun. Oder doch? Wird deshalb immer wieder mit dem Narrativ der egoistischen Karrierefrau um sich geworfen? Um eine Entscheidung schlichtweg mit einem Klischee zu untermauern?!
Das Narrativ der kinderfreien Frau ist ein Klischee wie es im Buche steht
Als ich mich mit Anfang 30 selbstständig gemacht habe, erreichten mich nicht selten Reaktionen à la „Und wie willst du einem potenziellen Kind dann finanzielle Sicherheit bieten?“ oder „Willst du nicht erstmal eine Familie gründen, ehe du dich jetzt in so eine berufliche Herausforderung wirfst?“ Für viele Menschen inner- und auch außerhalb meines Umfeldes war klar, dass ich mich mit dem Weg raus aus der Festanstellung für ein Leben entschieden habe, das sich einzig und allein um meine Karriere dreht. Und somit einzig und allein um mich. Ungeachtet der Tatsache, dass ich nicht verstehe, warum Karriere und Kinder sich automatisch auszuschließen scheinen, war und bin ich in den Köpfen einiger Menschen also ein Paradebeispiel der kinderlosen Frau, die viel arbeitet, spontan verreist und sich ja vermeintlich um nichts anderes im Leben kümmern muss als um ihre eigene Karriere. Kurzum: Das herrschende Narrativ der kinderfreien Frau ist ein Klischee wie es im Buche steht. Und eben jenes Klischee langweilt mich. Schlichtweg weil ich finde, dass die Gesellschaft es sich mit dieser Denkweise zu einfach macht. Denn sieht so eine respektvolle Reaktion auf dem selbstbestimmten Weg eines Menschen aus? Wohl kaum …
"Denn bei all dem Spielen von vermeintlichen Narrativen und Klischeehascherei dürfen auch jene Menschen nicht vergessen werden, die gerne Eltern wären, es aber nicht werden können"
Die Entscheidung für ein Leben ohne Kinder ist emotional und wird nicht über Nacht gefällt. Ganz genau wie die Entscheidung für ein Leben mit Kindern. Schlussendlich reden wir hier von zwei individuellen Wegen, die nur ganz oder gar nicht gegangen werden können. Kompromisse sind nicht möglich. Und doch wird vor allem der Weg der bewusst kinderlos lebenden Frau immer wieder angezweifelt und kommentiert. Vielleicht brauchen Menschen mit Kindern Menschen ohne Kinder in ihrem Umfeld, um hier und da doch mal in die Klischee-Schublade greifen zu können. Mag alles sein. Schlussendlich sollten wir Klischees und veraltete Narrative aber auch als das betrachten, was sie sind: verletzende und übergriffige Handlungen, die wir ganz hinten in der Schublade lassen sollten. Denn bei all dem Spielen von vermeintlichen Narrativen und Klischeehascherei dürfen auch jene Menschen nicht vergessen werden, die gerne Eltern wären, es aber nicht werden können. Die nach außen möglicherweise den Anschein der vermeintlichen Karrierefrau erwecken, sich aber tagtäglich ganz anderen Emotionen und Herausforderungen stellen müssen. Und somit sollte die Frage nach Kindern nicht ausschließlich mit einem saloppen „Kinder sind das größte Glück auf Erden, bekomm' auch welche“ beantwortet werden. Denn hinter der Frage nach Kindern steckt nun einmal so viel mehr als Floskeln, Klischees und sozialisierte Denkmuster à la „Sie hat sich eben für die Karriere entschieden“.
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