Foto: Courtesy of Netflix

Ein Akt der Selbstermächtigung: Lasst uns über die Netflix-Doku „Pamela: A Love Story“ reden

Als Kind der Achtziger bin ich in den Neunzigern in typischer Baywatch-Manier mit Pamela Anderson aufgewachsen. Als CJ Paker rettete sie gemeinsam mit Mitch Buchannon und dem Rettungsschwimmerteam Leben und irgendwie komme ich bis heute nicht umhin, beim Anblick eines roten Badeanzugs zumindest für einen Moment an Pamela Anderson zu denken. Vermutlich bin ich nicht die Einzige, der es so geht. Vermutlich bin ich aber ebenso wenig die Einzige, der beim Gedanken an Pamela Anderson nicht auch andere Erinnerungen aus einer lang vergangenen Zeit kommen. Da war zum Beispiel die wilde Ehe mit dem Rocker Tommy Lee. Die Scheidung. Weitere Hochzeiten. Und – wie sollte es anders sein – die Sache mit dem Sextape. All das sind Erinnerungen meines noch kindlichen Teenager-Ichs. Und während im Jahr 1996 meine meist männlichen Schulkameraden besagtes Sextape auf dem Schulhof wild kichernd für einen Teil ihres Taschengeldes kauften und verkauften, war meinem damals zwölfjährigen Ich nicht bewusst, dass es sich hierbei um so viel mehr handelte, als um einen vermeintlich schlüpfrigen Film, der zwischen Sportunterricht und Mathestunde auf dem Schulhof gedealt wird …

Vor wenigen Wochen erschien „Pamela: A Love Story“ auf Netflix. Zunächst ist die Doku ein wenig an mir vorbeigegangen, doch als nach und nach immer mehr positive Stimmen darüber in meiner Bubble auftauchten, hatte auch ich den Film endlich auf dem Radar, schaute ihn mir an und kann heute sagen: Seid so gut und tut es auch! Denn die Doku zeichnet nicht nur das Leben einer Frau, die ihr Leben lang übersexualisiert und entsprechend falsch dargestellt wurde. Vielmehr gibt sie einen brutal ehrlichen Eindruck in die übergriffige und sexistische Arbeit und Maschinerie der TV- und Medienlandschaft, die in Neunzigern schlichtweg auf der Tagesordnung stand. Pamela Andersons Privatleben gehörte der breiten Masse. So der vermeintliche Irrglaube der Menschen, unter dem die inzwischen 55-Jährige bis heute leidet und man kommt bei vielen Einblicken nicht umhin, an Frauen wie Britney Spears oder Prinzessin Diana zu denken, die in diesem Jahrzehnt ebenso dem täglichen medialen Spießrutenlauf ausgesetzt waren. So auch Pamela Anderson: Sexistische Kommentare und Fragen von Talkmastern oder Late-Night-Moderatoren waren ebenso Teil ihres Lebens wie die tägliche Tatsache, dass Journalisten und Paparazzi ihre Privatsphäre für eine gute Story komplett mit Füßen traten. Es gehörte dazu. Niemand schien sich damals darüber gewundert oder die Herangehensweise kritisch hinterfragt zu haben. Vielmehr wurde sich darüber amüsiert. Es wurde gelacht. Denn im Fall von Pamela Anderson etwa schien folgende Devise zu gelten: Wer sich für den "Playboy" auszieht und beim Sex die Kamera laufen lässt, hat kein Recht auf den eigenen Körper.

Pamela Andersons Karriere baute auf der Überzeichnung ihrer Figur als Sex-Ikone auf. Sie selbst wollte als Schauspielerin ernst genommen werden, bezeichnete sich selbstbewusst als „Actress“. Dafür wurde sie jedoch – und auch das zeigt die Doku in einer Interviewszene aus den Neunzigern – schlichtweg belächelt. Vor allem von männlicher Seite. Doch auch wenn die Figur der Pamela Anderson häufig falsch dargestellt wurde, macht sie in der Doku dennoch deutlich, niemals die sprichwörtliche Jungfrau in Nöten gewesen zu sein. Sie war stets selbstbestimmt, nahm keine passive Rolle ein. Sowohl in ihrer Arbeit als auch in der Form ihrer Beziehungen, die sie führte. Das bringt sie deutlich zum Ausdruck: „Ich bin kein Opfer. Ich brachte mich selbst in verrückte Situationen und überlebte sie. […] Ich bin dankbar für alle Erfahrungen, die ich gemacht habe und gebe niemandem die Schuld für irgendetwas.“ Umso mehr geht es ihr darum, ihre eigene Geschichte auch selbst erzählen zu dürfen, das Narrativ ihrer eigenen Vita endlich zurück in ihr Leben holen zu dürfen.

Als ihr Ex-Ehemann Tommy Lee sie Mitte der Neunziger in einem Streit schubste, während sie ihr Baby im Arm hielt, rief sie die Polizei. Tommy Lee kam ins Gefängnis, Pamela Anderson reichte die Scheidung ein. Und auch wenn sie bis den Vater ihrer Kinder bis heute als die wohl einzige große und leidenschaftliche Liebe ihres Lebens bezeichnet, weiß sie: Die Grenze, die er damals überschritten hat, ist um nichts in der Welt wiedergutzumachen.

„Ich bin lieber allein, als nicht mit dem Vater meiner Kinder zusammen. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, mit Tommy zu sein.“

Und dann gibt es noch etwas, was bis heute tiefe Spuren im Leben der Kanadierin hinterlassen hat: die privaten Sexaufnahmen der Schauspielerin und ihrem Mann, die während Bauarbeiten gestohlen, zusammengeschnitten und weltweit verkauft wurden. Das Paar ging dagegen vor, doch für das Gericht stand fest, dass eine Frau, die als Sex-Ikone gilt, kein Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre habe. Während der Skandal für Motley-Crue-Drummer Tommy Lee karriere- und potenzsteigernd war, wurde Pamela Andersons Privatleben zu einem öffentlich und frei verfügbaren Gegenstand.

Pamela Anderson geht einen mutigen Schritt und bleibt dabei ganz bei sich

Knapp 30 Jahre liegt all das inzwischen zurück. Abschließen konnte Pamela Anderson bis heute nicht damit und wird es vermutlich auch niemals können. Die privaten Aufnahmen von ihr und Tommy Lee sind noch immer online verfügbar, zudem arbeitet die Disney+-Serie „Pam & Tommy“ den Sex-Tape-Skandal nochmal auf. Und auch wenn Pamela Anderson im Rahmen der Doku die Serie selbst nie beim Namen nennt, positioniert sie sich deutlich gegen die Produktion, die nicht nur einen dunklen Teil ihres Privatlebens erneut in das Bewusstsein der Menschen rückt, sondern zu der sie selbst nie ihr Einverständnis gegeben habe.

In „Pamela: A Love Story“ geht Pamela einen mutigen Schritt und ist dabei ganz bei sich. Sie setzt sich zur Wehr gegen ein Image, das ihr aufgedrückt wurde und ihre Person nachhaltig bestimmte. Sie zeigt sich zurückgezogen in ihrem Zuhause und geht mit einer Zeit ins Gericht, in der Sexismus gegenüber Frauen als etwas Alltägliches gesehen und verstanden wurde. Die zweifache Mutter hat für ihren Teil den Ausstieg aus dieser Branche gefunden, ist bekannte Peta-Aktivistin, stand 2022 auf dem Broadway auf der Bühne, hat ihre Biografie veröffentlicht. Vielleicht kann man die Netflix-Doku in gewisser Hinsicht als eine Art Image-Film verstehen, das mag sein. Nichtsdestotrotz wird hier einer Frau eine Stimme gegeben, der es jahrelang nicht möglich war, ihre Sicht der Dinge zu benennen. Weil ihre Meinung in der Branche keine Rolle gespielt hat. Pamela Anderson zeigt in der Doku ihr Leben, das nichts mit der lauten, wilden und überzeichneten Welt von damals zu tun hat. Sie ist sie selbst. Und das hat sie absolut verdient.

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