Svenja Fuxs

Svenja Fuxs, warum erlauben wir es uns nicht, intensiv um ein Haustier zu trauern?

Wer sein Leben mit einem Haustier teilt, kennt sie vermutlich: die Angst vor dem Verlust dieses geliebten Tieres. Denn wenn wir einmal ehrlich sind, wird der Begriff "Haustier" dem Gefühl, das diese Wesen uns Tag für Tag geben, nicht gerecht. Umso mehr schmerzt es, wenn wir uns von unseren Begleitern verabschieden müssen – ein Gefühl, das auch ich sehr gut kenne. Über genau dieses Gefühl, den Verlust, den Schmerz und die Angst vor all diesen Gefühlen habe ich kürzlich mit Svenja gesprochen. Als @svenjafuxs steht sie auf Instagram für Ehrlichkeit, Authentizität und Glaubwürdigkeit – Gefühle, die sie mit ihrer Community teilt und diese auch ganz nah und echt an der Trauer um ihren kürzlich verstorbenen Hund Schnipsel teilhaben lässt. Im Interview haben wir mit ihr über die tiefe Trauer um ihren Hund gesprochen und ihr die Frage gestellt, warum wir Menschen Trauer häufig nur bedingt zu lassen.

Hab vielen Dank für deine ehrlichen und reflektierenden Worte, liebe Svenja!

 

Svenja, was fühlst du in diesem Moment, wenn du an deinen kürzlich verstorbenen Hund Schnipsel denkst?

Trauer, tiefe Trauer. Auch in diesem Moment muss ich mir die Tränen wegwischen. Schnipsel hat sehr lange Zeit sehr intensiv meinen Wunsch nach aufrichtiger Verbindung gestillt. Zwölf Jahre lang. Wir waren sehr lange nur zu zweit, außerdem war er immer an meiner Seite. Egal, ob bei der Arbeit oder auf Reisen – er war immer bei mir. Schniep kam in mein Leben, als ich mit niemandem verbunden war – am wenigsten mit mir selbst. Ich vermisse ihn jeden Tag, obwohl ich weiß, dass sein Körper nicht mehr konnte und es richtig war, ihn gehen zu lassen. Wenn ich mir heute beispielsweise Videos ansehe, die ich während dieser letzten Zeit von ihm gemacht habe, betrachte ich diese inzwischen mit einem ganz anderen Blick. Damals habe ich sie voller Hoffnung angeschaut, heute sehe ich, wie schlecht es ihm zu dieser Zeit schon ging. Mir Fotos und Videos anzusehen, hilft mir aber auch, weil sie mir vor Augen führen, alles richtig gemacht zu haben, indem ich ihn hab gehen lassen. Es war gut, dass er gehen durfte. Ich hab mich immer um ihn gekümmert und er sich um mich, insofern war der Abschied etwas, das ich ihm noch geben durfte. Dazu muss ich sagen, dass der Abschied – so schwer er auch war – auch schön war. Ich konnte Schnipsel ein letztes Mal begleiten, ihm sagen, wie dankbar ich ihm bin und wie sehr ich ihn liebe. Das war ein sehr ruhiger Moment, die tiefe Traurigkeit kam dann erst später.

Du hast der Trauer um deinen Hund bis heute vollsten Raum gegeben – auch auf deinem Instagram-Kanal. Warum ist Trauer in unserer Gesellschaft noch immer ein solches Tabuthema?

In unserer Gesellschaft wird immer von negativen und positiven Gefühlen gesprochen. Dabei ist das ein Trugschluss, denn es gibt ausschließlich Gefühle. Gefühle, die angenehm oder unangenehm sein können. Unsere Gesellschaft neigt dazu, die unangenehmen Gefühle einfach wegzuwischen. Dabei gibt es doch ohne unangenehm kein angenehm. Ohne Trauer keine Freude. Alles wäre wertlos, ohne einen Gegenpol. Dabei kann ich den Impuls, unangenehme Gefühle verdrängen zu wollen, grundsätzlich verstehen. Mit dem Tod eines geliebten Begleiters können Gefühle wie Angst, Wut, Verzweiflung, Einsamkeit und Unsicherheit aufkommen. Oftmals kommen dann Gedanken über die eigene Sterblichkeit oder die der Eltern und Lieblingsmenschen auf, dabei ist der Tod das Normalste der Welt. Wir können ihn nicht ausklammern. Klar, mir macht das auch Angst, aber wir müssen über Trauer sprechen, genauso wie wir über Freude sprechen, denn sie wird uns einholen, egal wie weit wir sie wegschieben möchten. Zudem höre ich immer wieder aus Gesprächen, vor allem aus meiner Community, heraus, dass Gefühlen in der Kindheit kein Raum gegeben wurde. Dass wir Sätze gehört haben, wie „War doch gar nicht so schlimm“ oder „Stell dich nicht so an“. Ich höre sie heute noch auf Spielplätzen, wenn Eltern sie zu ihren Kindern sagen. Mit diesen Aussagen sprechen wir anderen jedoch ganz klar ihre Gefühle ab – ein typischer Effekt unserer Leistungsgesellschaft. Es gibt keine Schablone, kein vorgefertigtes Muster für Emotionen. Ich weiß, dass Menschen dies nicht mit böser Absicht tun. Dass sie in ihrer Kindheit von ihren Eltern nicht co-reguliert wurden und gar nicht wissen, wie sie auf unangenehme Gefühle reagieren sollen. Somit wird ein „Aua“ schnell „weggewischt“ oder die Kinder kurzerhand abgelenkt. Aber so lernen wir unsere Gefühle gar nicht aufrichtig kennen und vor allem nicht mit ihnen umzugehen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wenn wir es selbst nie gelernt haben, wie sollen wir andere dabei begleiten? Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es nie zu spät ist, sich auf die eigenen Gefühle einzulassen.

"Wir Menschen nehmen uns einfach so unfassbar wichtig, dass es gar keinen Raum gibt für Tiere oder Beziehungen, die wir mit diesen Tieren haben könnten. Wir werden belächelt, wenn wir „immer noch“ um dieses Tier trauern. Wir sind also, wieder einmal, Versager oder einfach zu sensibel. Dabei ist vor allem Letzteres eine so wunderbare Eigenschaft."

Hast du darüber nachgedacht, die Trauer um Schniep außerhalb der sozialen Medien zu durchleben?

Zu keiner Sekunde, nein. Zum einen stehe ich auf meinem Kanal svenjafuxs für Authentizität und Emotionen. Den Gefühlen Raum zu geben und Emotionen, die kommen „auszufühlen“, also anzunehmen und sie zu durchleben. Damit möchte ich nicht sagen, dass mein persönlicher Weg der einzig richtige ist, aber er ist für mich authentisch und somit richtig. Somit wäre es für mich nicht richtig gewesen, den Menschen draußen, für die ich in Bezug auf Emotionen ein Vorbild bin, etwas vorzumachen. Das habe ich auch extrem an den Reaktionen aus meiner Community gemerkt: Es gab Rückmeldungen von Menschen, die jahrelang die Trauer um ihren Hund nicht zugelassen haben und es in diesem Zusammenhang endlich getan haben. Anhand solcher Reaktionen merke ich, dass es nicht richtig gewesen wäre, meine Vorbildfunktion für Gefühle an dieser Stelle dicht zu machen.
Zum anderen war Schniep seit 2012 sehr präsent auf meinem Kanal. Er war nicht nur ein Teil des Ganzen, er gehörte wirklich dazu. Die Menschen haben ihn nicht nur lieb gewonnen, sondern auch sehr oft nach ihm gefragt. Er war irgendwie auch ihr Begleiter. Ich möchte seinen Namen nennen und wünsche mir, dass er durch mich und den Menschen da draußen weiterlebt und in Erinnerung bleibt, weil er so besonders war. Ich verurteile aber natürlich niemanden, der seine Trauer im Privaten auslebt – für mich war mein Weg jedoch der authentischste, den ich gehen konnte.

Sind dir im Zuge deiner offenen und ehrlichen Trauerbewältigung Unverständnis oder Kritik von außen begegnet?

Diese Frage kann ich, zum Glück und darauf bin ich sehr stolz, mit einem fett unterstrichenen Nein beantworten. Ich habe ein ganz besonders empathisches Umfeld. Meine Familie und die Herzfamilie, also meine Freund*innen, sehen mich, sehen meinen Schmerz und können mich ihn ausleben lassen. Diesen privaten Safe Space habe ich mir über Jahre aufgebaut und ging auch mit schmerzlichen Verlusten einher. Aber ja, heute weiß ich, ich kann ich sein, in Freude oder Trauer – ohne verurteilt zu werden.

Warum, denkst du, „erlauben“ manche Menschen es sich nicht, intensiv und lange um ein Tier zu trauern?

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Unsere Gesellschaft ist vergiftet durch „höher, schneller, weiter“. Wer Stress hat, ist jemand. Wer ausfällt, verliert. In dieser Gesellschaft „muss es dann auch mal gut sein“ – selbst wenn ein nahestehender Mensch verstirbt. „Nach drei Jahren musst du doch nicht mehr traurig sein“ und halt einfach wieder funktionieren. Warum sollte man sich dann erlauben, um ein Tier, ein Haustier zu trauern …
Wir Menschen nehmen uns einfach so unfassbar wichtig, dass es gar keinen Raum gibt für Tiere oder Beziehungen, die wir mit diesen Tieren haben könnten. Wir werden belächelt, wenn wir „immer noch“ um dieses Tier trauern. Wir sind also, wieder einmal, Versager oder einfach zu sensibel. Dabei ist vor allem Letzteres eine so wunderbare Eigenschaft.

An dem Tag, an dem Schniep gestorben ist, hast du bei Instagram „Der Tag, vor dem ich, seit du in meinem Leben gekommen bist, so Angst hatte, war heute“ geschrieben. Wer sein Tier liebt, kann diese Angst vermutlich sehr gut nachempfinden. Ist die Angst davor womöglich schlimmer als das danach?

Es war wirklich meine allergrößte Angst, diesen Hund zu verlieren. Im Vorher habe ich mich immer gefragt, wann es passieren wird. Wie es passieren wird. Wird er krank oder passiert ein Unfall? Ich habe mich gefragt, ob ich Schniep richtig unterstützen und ob ich das Richtige tun würde. Inzwischen weiß ich, dass das Vorher somit gewissermaßen schlimmer ist als das Danach. Weil ich im Nachhinein sagen kann, dass es friedlich und sogar schön ist, sein Tier beim Sterben zu begleiten. Wenn ich also aus dieser Erfahrung spreche, kann ich nur empfehlen, dass – sofern es die Situation zulässt – Menschen ihr Tier auf diesem letzten Weg begleiten. Ich hatte Schniep bis zum Schluss im Arm und das war ein wirklich unfassbar friedlicher Moment. Es war ein ganz verbundener Moment, in dem es nur uns beide gab. Und auch wenn ich danach unendlich traurig war und viel geweint habe, hatte ich letztlich doch ein Gefühl, das mir gesagt hat „Es ist okay“. Es tut weh, keine Frage und ich möchte das wirklich nicht runterspielen. Es war alles andere als ein Spaziergang, doch man tut genau das aus absoluter Liebe für sein Tier. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass der Tod zum Leben dazugehört, alles hat seine Zeit.

Du trägst Schniep nach seinem Tod nicht nur weiter fest im Herzen, sondern inzwischen auch am Herzen – in Form einer ganz besonderen Kette. Magst du uns davon erzählen?

Das mit der Kette ist irgendwie eine total verrückte Geschichte. In der Nacht nach Schnieps Tod bin ich mit meiner Freundin in den Urlaub geflogen – die beste Entscheidung, die ich treffen konnte, weil ich in dieser fremden Umgebung komplett reseten konnte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits die Entscheidung getroffen, ihn einäschern zu lassen und hatte die Idee, seine Asche in einer Kette verarbeiten zu lassen. Ich hatte mir auch schon eine Aschekette ausgesucht, aber wirklich 100%-ig überzeugt war ich noch nicht von ihr. Dennoch mochte ich die Vorstellung, Schniep in Form einer Kette bei mir zu wissen. Da ich an Energien und die Kontaktaufnahme zu Verstorbenen glaube, habe ich Schniep also gebeten, mir ein Zeichen zu geben. Ich hatte ihn immer wieder in den Wolken gesehen und wollte von ihm wissen, ob er wirklich da ist, oder ob ich mir all das nur einbilde. Am nächsten Tag habe ich dann bei Instagram eine Nachricht von einer Person erhalten, der ich einmal auf einem Event begegnet bin. Sie arbeitet in einer Schmuckmanufaktur, die Ascheschmuck herstellt und arbeitet mit dem Bestattungsinstitut zusammen, in dem Schniep eingeäschert wurde. In der Nachricht schrieb sie mir dann, dass Schnipsel gut bei ihr angekommen sei und ich war vollkommen perplex, dass die Asche ausgerechnet bei ihr gelandet war. Da wir uns in der Vergangenheit ja einmal kennengelernt hatten, hat sie mir dann direkt Vorschläge gemacht, welches Schmuckmodell möglicherweise gut zu mir passen könnte – und tatsächlich hat sie mir dann die Kette vorgeschlagen, die ich heute auch trage. Sie passt zu 100 Prozent zu mir und dem, was ich mag – außerdem mag ich den Gedanken, dass jemand die Kette angefertigt hat, der mir und Schnipsel schon einmal begegnet ist. Und ich sehe es irgendwie als Zeichen, um das ich Schniep zuvor gebeten hatte, denn seitdem geht es mir auch ein wenig besser.

Wie hast du deinem Kind erklärt, dass Schnipsel nicht mehr zurückkommt?

Das war sehr schwierig, weil mein Kind noch sehr klein ist und es somit das erste Mal mit dem Tod in Berührung gekommen ist. Wir haben noch ein größeres Kind, das mein Freund mit in die Beziehung gebracht hat. Mit acht Jahren hat es natürlich komplett verstanden, was das bedeutet und war auch total traurig, als ich gesagt habe, dass Schnipsel tot ist. Ich habe in dem Gespräch auch nicht gesagt, er sei eingeschlafen, sondern habe bewusst davon gesprochen, dass er tot ist. Wir schlafen nicht ein, wenn wir sterben, sondern wir sterben und es war mir sehr wichtig, zu sagen, dass er gestorben ist. Als ich es meinem Kind mitgeteilt habe, hat es überhaupt nicht verstanden, was passiert war. Auch später kamen immer Fragen, wo Schnipsel denn sei oder ob ich ihn mit dem Auto in den Himmel gefahren habe. Das war wirklich herausfordernd, denn wie will man etwas einem Kind beschreiben, von dem selbst wir Erwachsenen nicht wissen, was da vor sich geht? Natürlich wurde auch viel geweint. Wir haben dann viel zusammen gemalt und viele Bilder von Schniep auf Wolken gezeichnet, was sehr heilend war. In dieser Zeit wurde ganz viel sehr intensiv gesprochen, kleine Kinder trauern ja ganz anders als Erwachsene. Nach einem Moment der Traurigkeit wird plötzlich wieder gespielt, ehe dann irgendwann wieder Nachfragen und Tränen kommen. Mit dem großen Kind hingegen konnte ich ganz bewusst sprechen und Fragen beantworten. Was sehr schön ist, ist, dass wir Großen und Kleinen uns gegenseitig auffangen. Nicht nur ich tröste die Kinder, wenn sie traurig sind wegen Schniep – auch sie trösten mich und nehmen mich in den Arm. Ich verstecke meine Tränen nicht vor ihnen – die Trauer findet hier sehr ehrlich und aufrichtig statt.

"Ich weiß, dass mich ein neuer Hund derzeit noch nicht glücklich machen würde und das wäre nicht fair dem Hund gegenüber. Ich glaube auch, dass mich ein neuer Hund aktuell an vielen Stellen noch sehr traurig machen würde, denn meinen Schniep bringt es mir nicht zurück. Aber ich weiß: Irgendwann werden wir einen neuen Hund bekommen."

Im Rahmen deiner Trauerbewältigung spielen Bilder eine besondere Rolle. Damit meine ich zum Beispiel Wolken, in deren Form du immer wieder Schniep erkennst und daraus Kraft schöpfst – inwiefern hilft es dir, Gefühle zu visualisieren?

Es hilft mir sehr. Dazu muss ich sagen, dass ich gar nicht bewusst in den Wolken nach ihm gesucht hatte. Als ich nach seinem Tod verreist bin, saß ich eines Tages traurig und weinend auf meiner Liege und habe plötzlich zu 100 Prozent sein Gesicht in den Wolken gesehen. Auch meine Freundin hat es gesehen – ich habe es mir wirklich nicht eingebildet. Daraufhin musste ich noch mehr weinen, weil ich mich so über die Schnipsel-Wolke gefreut habe.

Kannst du dir vorstellen, einem neuen Hund bald ein Zuhause zu schenken?

Ich bin definitiv eine Person mit Hund. Das war ich immer und werde es immer sein. Aber ich weiß von früher noch, wie ich mit Verlusten umgegangen bin. Damals habe ich mich schnell in neue Geschichten gestürzt und habe mich mit ihnen abgelenkt. Bedeutet: Ich bin schnell eine neue Beziehung eingegangen, in der ich allerdings total unglücklich war, weil die letzte noch nicht wirklich verarbeitet wurde. Hier sind alle Menschen individuell und jeder Mensch soll dies so handhaben, wie es für ihn am besten ist. Während es für manche Menschen sicherlich heilsam sein kann, sich schnell nach einem Verlust einen neuen Hund zuzulegen, bin ich noch nicht so weit. Dabei finde ich es fürchterlich, dass hier zur Zeit kein Hund lebt. Glücklicherweise habe ich viele Freund*innen mit Hund und habe dementsprechend viele Hundebegegnungen. Aber ich weiß, dass mich ein neuer Hund derzeit noch nicht glücklich machen würde und das wäre nicht fair dem Hund gegenüber. Ich glaube auch, dass mich ein neuer Hund aktuell an vielen Stellen noch sehr traurig machen würde, denn meinen Schniep bringt es mir nicht zurück. Aber ich weiß: Irgendwann werden wir einen neuen Hund bekommen.

Gefällt dir? Dann sag's weiter: