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Werden glückliche Singles eigentlich weniger akzeptiert als unglückliche Pärchen?
Die besten Weisheiten zu Beziehungen kommen meist dann, wenn wir sie am wenigsten erwarten. In meinem Fall war es meine Großmutter, die mir damals nach Beendigung meiner ersten Langzeitbeziehung Wichtiges mit auf den Weg gab. Der Mann, den ich da gerade verließ, wäre „ein Guter“; so jemanden würde ich „nie wieder finden“. Während ich mich damals spöttisch lächelnd für das Mutmachen bedankte, zeigt sich heute, fast 10 lange Single-Jahre später, die bittere Wahrheit: Meine Oma hatte recht. Ich habe tatsächlich nie wieder einen solchen Mann getroffen. Aber irgendwie war das auch meine Intention – schließlich hatte ich mich getrennt, weil ich alleine glücklicher war.
"Ich kann die bemitleidenden Blicke kaum mehr zählen, die mich jedes Mal erreichen, wenn ich die Frage nach einer Partnerschaft mit einem „Nein“ beantworte. Gern gefolgt von der Frage, wie das denn sein könnte; eine Frau wie ich, ganz ohne Partner?"
Nun ist mir klar, dass meine Oma im Vergleich zu meiner Generation mit völlig unterschiedlichen Wertevorstellungen und unter anderen Umständen aufgewachsen ist. Wie unterschiedlich diese Werte sind, lässt sie uns Familienmitglieder mit ihren gut gemeinten Ratschlägen auch nie vergessen. Mein Favorit richtete sich an meine Schwester, die laut Oma ihre damalige Beziehung hätte retten können, und zwar ganz einfach: Alles, was meine Schwester hätte tun müssen, war, vernünftig zu kochen. ‚Vernünftig‘ bedeutet in diesem Fall ‚nicht vegetarisch‘, was auch sonst. Dann wäre jedenfalls auch der Mann geblieben, und ich sag’s ganz ehrlich: Rausgefunden, ob da was dran wäre, hätte ich an ihrer Stelle ja doch ganz gern.
Die Freiheit, sich trennen zu können
Laut Statistischem Bundesamt gab es im letzten Jahr zwar 390.700 Eheschließungen, aber auch 137.400 Scheidungen. Wir sprechen hier also von 35% der geschlossenen Ehen, die sich wieder trennen. Das ist natürlich nur eine Orientierung, weil die Anzahl der heute geschlossenen Ehen aufgrund der Zeitverzögerung nicht direkt mit der Scheidungsrate verglichen werden kann, veranschaulicht das Verhältnis aber trotzdem gut.".
Eine Umfrage der Partnervermittlung Parship zeigt, dass 68% der Single-Frauen sich als glücklich bis sehr glücklich einschätzen, die Zahl der Männer liegt bei 52%. Interessanterweise sind mehr Frauen als Männer der Meinung, ihr Glück hinge nicht von ihrem Beziehungsstatus ab und 2020 gaben nur 7% der Menschen in Beziehungen an, unglücklich zu sein.**
Das ist gut.
Diese Zahlen zeigen: Wer heute nicht glücklich in einer Beziehung ist, trennt sich. Im Gegensatz zu der klassischen Rollenverteilung, wie zur Generation unserer Großeltern, sind vor allem Frauen heute weniger abhängig und somit freier in ihren Entscheidungen zur Lebensgestaltung. Wieso werden wir dann noch immer ständig durch Medien, Bücher und Filme mit der Idee konfrontiert, das Alleinsein sei ein Zustand, der bitte so schnell wie möglich behoben werden sollte? Immer die latent mitschwingende Suggestion, irgendwie gescheitert zu sein, wenn wir keine Beziehung führen oder gerade eine beenden mussten.
Alleinsein als bemitleidenswerter Zustand?
Ich kann die bemitleidenden Blicke kaum mehr zählen, die mich jedes Mal erreichen, wenn ich die Frage nach einer Partnerschaft mit einem „Nein“ beantworte. Gern gefolgt von der Frage, wie das denn sein könnte; eine Frau wie ich, ganz ohne Partner? (Augenrollen gern jetzt hier einsetzen.) Wie oft mein Alleinreisen mit einem „Wow, mutig!“, oder „Das könnte ich ja nicht“ kommentiert wird. Als wäre es keine bewusste Entscheidung, sondern etwas, das aus der Not heraus entstanden ist.
Dabei finde ich es eigentlich viel mutiger, die freie Zeit als Paar an fremden Orten (oder gar zu Hause!) zu verbringen. Mit ein und derselben Person? Bedürfnisse abgleichen und Unterhaltungen führen? Zusammen kochen? Wow, mutig. Ich glaube, das könnte ich nicht. Und vielleicht sage ich das beim nächsten Mal auch einfach.
"Weder das Alleinsein, noch das in-einer-Beziehung-sein macht per se glücklich oder nicht glücklich."
Ist der gesellschaftliche Druck nur die Angst vor Einsamkeit?
In meinem Freundeskreis gibt es weit mehr Singles als Menschen in festen Beziehungen und viele dieser Singles sind glücklicher als so manches Pärchen aus dem Bekanntenkreis. Sie alle werden trotzdem regelmäßig nach dem Partner oder der Partnerin gefragt und mit Vorschlägen überhäuft, wie sie jemanden kennenlernen könnten. Ich glaube, einer der Gründe, wieso der gesellschaftliche Druck in Richtung Beziehung trotz allem noch so hoch ist, ist die Angst vor dem Alleinsein. Oder eher vor der Einsamkeit, die das Alleinsein mit sich bringen kann. Denn, wie der Name schon sagt, bedeutet Alleinsein auch, mit den eigenen Emotionen allein zu sein. Sich selbst ein bisschen intensiver zu spüren und die eigenen Gedanken lauter zu hören, als wir das manchmal gern möchten.
Und manchmal kann das mit-sich-selbst-sitzen ziemlich wehtun. Obwohl ich mich bewusst dafür entschieden habe, mich zu trennen – damals und auch vor kurzem – heißt das nicht, dass ich automatisch glücklicher bin, als ich es in der Beziehung war. Ich bin traurig. Extrem traurig, seit Monaten. Weil ich einen Menschen losgelassen habe, den ich liebe. Aber ich bin auch freier. Weil ich mir meinen eigenen Raum geschaffen habe. Und vielleicht ist es das, wovor die Menschen, die das Alleinsein prinzipiell einer Beziehung unterordnen, Angst haben: Wirklich frei zu sein. Vielleicht ist es aber auch nur die Angst davor, nicht geliebt zu werden.
Es ist keine ‚entweder glücklich, oder unglücklich‘
So wie die meisten Dinge ist die Sache mit dem Alleinsein etwas komplexer. Weder das Alleinsein, noch das in-einer-Beziehung-sein macht per se glücklich oder nicht glücklich. Beides ist mit viel Arbeit verbunden, erfordert Reflektion und Bewusstsein, und selbst dann liegt die Realität selten zwischen ‚glücklich‘ und ‚unglücklich‘. Sie ist irgendwo dazwischen. Aber, um zum Schluss noch die Frage zu beantworten, die uns alle seit Beginn dieses Artikels quält: Der Mann, den ich im letzten Jahr gedatet habe, ist Koch. Nicht vegetarisch, und ein richtig guter noch dazu. Ich bin trotzdem nicht geblieben.