Endolöwin Endometriose

Vivian Wagner: „Nach meiner zweiten Endometriose-Operation habe ich die Diagnose ‚unfruchtbar‘ erhalten“

Endometriose – eine Erkrankung, die für viele Betroffene sowohl in körperlicher als auch mentaler Hinsicht einen langen Leidensweg mit sich bringt. Denn bis es zu einer Diagnose kommt, vergehen häufig viele schmerzhafte Jahre. Das weiß auch Vivian. Zwölf Jahre lang suchte sie nach einer Ursache für ihre extremen Schmerzen und Zusammenbrüche während ihrer Periode. Zwölf Jahre, in denen ihr nicht selten mit Reaktionen wie "Periodenschmerzen sind normal" begegnet wurde. Heute weiß Vivian: Periodenschmerzen sind nicht normal – vielmehr wissen wir noch immer viel zu wenig über Endometriose. Als @endolöwin kämpft Vivian seitdem bei Instagram für mehr Awareness rund um die Erkrankung und ihre Folgen, hat sogar ein Buch geschrieben. Mit uns hat die 27-Jährige über ihre Erkrankung, ihren Weg zur Diagnose und ihren unerfüllten Kinderwunsch gesprochen.

Hab vielen Dank für deine Worte, Vivian!

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Vivian, als „Endolöwin“ sensibilisierst du auf Instagram rund um Endometriose und Adenomyose. Warum hast du dich dazu entschieden, mit deiner Erkrankung an die Öffentlichkeit zu gehen?

Anfang 2020 habe ich nach über zwölf Jahren und 20 verschiedenen Gynäkolog:innen, nach einer Bauchspiegelung die offizielle Diagnose erhalten. Ein Weg voller Schmerzen und Ahnungslosigkeit. Diesen langen Weg bis dahin möchte ich anderen Menschen ersparen und habe mich kurz nach meiner ersten Operation dazu entschieden, meinen Instagram-Account @endoloewin ins Leben zu rufen. Mein Ziel war und ist es bis heute, dass so viele Menschen wie möglich schon einmal von Endometriose und Adenomyose gehört haben. Es kann nicht sein, dass immer noch im Schnitt sieben bis zehn Jahre bis zur Diagnose vergehen.

Wie verlief deine persönliche Endometriose-Reise von den Symptomen bis zur Diagnose?

Mit zwölf Jahren habe ich meine erste Periode bekommen und damit auch meine ersten starken Schmerzen und Beschwerden. Ich musste mich während der Periode vor Schmerzen übergeben oder fiel in Ohnmacht, weil mein Körper die starken Schmerzen nicht kompensieren konnte. Diese Schmerzen und Beschwerden wurden jedoch nicht besser, sondern immer mehr und intensiver mit der Zeit. Sie traten nicht mehr nur während der Periode, sondern nun auch zyklusunabhängig auf. Also suchte ich meine erste Frauenärztin auf. Ich schilderte ihr meine Situation und wurde nur mit den Worten „Die Schmerzen sind während der Periode normal. Das gehört zum Frau sein dazu“ und einem Rezept für die Pille wieder nach Hause geschickt. Das sollte aber nicht die letzte Erfahrung dieser Art für mich gewesen sein. In rund zwölf Jahren suchte ich rund 20 Gynäkolog:innen auf, denen ich meine Beschwerden und Schmerzen mitteilte. Der vaginale Ultraschall war immer unauffällig. Somit gab es für die Ärzt:innen keinen Hinweis auf eine Erkrankung. Ich zweifle also schon selbst an mir. Bin ich einfach zu empfindlich? Bilde ich mir die Schmerzen nur ein? Ende 2019 bin ich dann durch Zufall an meinen jetzigen Frauenarzt geraten. Ich ratterte meinen Text runter. Den meine Beschwerden konnte ich nach all den Jahren schon im Schlaf aufzählen. Zu meiner Verwunderung sagte er „Frau Wagner, das könnte Endometriose sein!“ Endo-was? Und somit bekam ich eine Überweisung für eine Laparoskopie in einem zertifizierten Endometriose Zentrum in die Hand. Anfang 2020 erfolgte dann meine erste Endometriose-Operation. Aus einer angedachten 45-minütigen Operation, erfolgte eine dreistündige Operation. Mein ganzer Bauchraum war voller Endometrioseherde. Ich habe mir all die Jahre meine Schmerzen nicht eingebildet!

"Ich musste erstmal lange herausfinden was mir langfristig hilft, um mit der Endometriose gut leben zu können. Das brauchte Zeit und das ist auch völlig normal."

Von „Periodenschmerzen sind normal“ bis hin zu „Stell dich nicht so an“ – musstest auch du dich mit Reaktionen dieser Art auseinandersetzen?

Oh ja! Ich wette, jede Endometriosebetroffene hat mindestens einmal einen solchen Satz zu hören bekommen. Sei es von Ärzt:innen, dem eigenen Umfeld oder auch von fremden Personen. Auch ich muss mir heute noch solche Aussagen anhören. Aber mittlerweile kann ich damit auch besser umgehen und kontere bei Bedarf auch gerne einmal zurück. Denn ich weiß am besten, dass ich mich definitiv nicht anstelle oder gar zu empfindlich bin.

Endometriose ist die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung bei Frauen. Trotzdem durchleben die Betroffenen häufig viele schmerzhafte Jahre, bis sie diagnostiziert wird. Warum, denkst du, ist das so?

Ein Grund dafür, warum es so lange bis zur endgültigen Diagnose dauert, ist, dass die Erkrankung nicht sehr gut erforscht ist und Betroffene sich oft schämen oder zurückhalten, wenn es darum geht Schmerzen zu beschreiben, die hauptsächlich, den Unterleib betreffen. Es ist daher an der Zeit, die Stigmatisierung zu durchbrechen und mehr über die Endometriose aufzuklären – denn Expert:innen schätzen, dass in Deutschland rund sechs Millionen Betroffene leben. Jährlich kommen bis zu 40.000 Neuerkrankungen hinzu. Das bedeutet, dass jede 10. Person mit Uterus an Endometriose leidet und es somit sehr viele Menschen betrifft.

Spürst du deine Endometriose jeden Tag in irgendeiner Form oder gibt es auch Episoden im Monat, in denen du weitestgehend schmerzfrei bist?

Es gibt durchaus viele Episoden im Monat, in denen ich schmerzfrei bin. Es hat aber auch sehr lange gedauert, bis ich an diesem Punkt angelangt bin. Ich musste erstmal lange herausfinden was mir langfristig hilft, um mit der Endometriose gut leben zu können. Das brauchte Zeit und das ist auch völlig normal. Mittlerweile habe ich mein Leben, sei es privat oder beruflich, nach meiner Endometriose ausgelegt und habe dadurch viele schmerzfreie Episoden für mich erschaffen können.

Ein operativer Eingriff, also eine Bauchspiegelung, gilt bis heute als einzige Möglichkeit, wirksam gegen Endometrioseherde vorzugehen. Leider sind sie nicht allzu nachhaltig, weil sich die Endo-Herde immer wieder bilden können. Wie viele Eingriffe hattest du bislang?

Ich hatte bis jetzt zwei Operation. Meine erste Operation hatte ich im Februar 2020, hier habe ich auch meine Diagnose erhalten und meine zweite Operation war im November 2022. Die zweite Operation habe ich machen lassen, weil ich zu diesem Zeitpunkt eine sehr lange und starke Schmerzphase hatte.

Auf Instagram klärst du als Endolöwin über Endometriose und Adenomyose auf - welche sind die häufigsten Reaktionen aus deiner Community, die dir begegnen?

Aus der Community bekomme ich fast nur positive Reaktionen. Ich bekomme sehr viele Nachrichten, in denen mir Betroffene ihre persönliche Geschichte erzählen und sich dafür bedanken, dass ich über das Leben mit Endometriose aufkläre. Die Nachrichten, in denen Betroffene mir mitteilen, dass sie durch mich endlich ihre Diagnose erhalten haben, berühren mich jedes Mal aufs Neue. Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als in den sozialen Medien über mein Leben mit Endometriose zu berichten und damit auch noch anderen Betroffenen Mut machen zu können.

"Da ich über zwölf Jahre nicht wusste woher meine Schmerzen und Beschwerden kommen, war ich für die Endometriose-Diagnose sehr dankbar. Ich hatte somit nie ein wirkliches Problem damit, die Erkrankung zu akzeptieren. Ich war einfach dankbar für die Diagnose und hatte somit etwas, worauf ich endlich aufbauen konnte."

Du sprichst auf Instagram auch offen und ungefiltert über deinen unerfüllten Kinderwunsch - Grund dafür ist deine Erkrankung. Was macht es mit dir, nicht zu wissen, ob sich dieser Wunsch jemals erfüllen kann.

Nach meiner zweiten Endometriose-Operation habe ich auch die Diagnose „unfruchtbar“ erhalten. Mein größter Alptraum ist wahr geworden. Die Diagnose hat mir wirklich den Boden unter den Füßen weggezogen. Mein größter Wunsch war es schon immer, eine eigene kleine Familie mit meinem Partner zu gründen. Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als selbst Mama zu sein. Aber ich weiß auch, dass es da draußen ganz viele Wunder gibt und nichts unmöglich ist. Die Hoffnung, dass ich doch noch irgendwann mein Wunder in den Armen halten kann, lässt mich den Wunsch und die Hoffnung daran nicht verlieren.

Bestärkt es dich, deiner Community einen so echten Einblick in dein Leben zu geben oder setzt es dich auch manchmal unter Druck?

Die meiste Zeit bestärkt es mich, da ich ganz genau weiß, dass mit meinen Einblicken auch vielen Betroffenen helfen kann. Zu wissen, dass man mit diesen ganzen Struggles nicht allein ist, ist schon sehr viel wert. Unter Druck setzt es mich nur, wenn ich zeige, dass es mir gut geht und ich ganz genau weiß, dass es anderen in diesem Moment leider nicht gut geht. Ich wünschte manchmal, dass ich der Community all die Schmerzen, Ängste und Leiden nehmen kann.

Wenn wir unsere Bubble einmal verlassen: Wie sind die Reaktionen von außerdem, wenn du so ungeschönt und ehrlich über deine Erkrankung und die Auswirkungen auf dein Leben sprichst.

Die Menschen, die mir nahestehen, gehen sehr positiv und sensible mit den oftmals ehrlichen und ungeschönten Themen um. Ich werde ein Glück von meinem Umfeld darin bestärkt in dem, was ich mache. Aber es gibt immer Menschen, vor allem in den sozialen Medien, die Grenzen überschreiten und übergriffige Aussagen treffen und übergriffige Fragen stellen. „Wann bekommst du denn endlich Kinder?“, „Hast du gar keinen Kinderwunsch?“, „Wie oft schläfst du mit deinem Partner? Wie oft testest du?“, „Lass dir doch einfach deine Gebärmutter entfernen.“ Und „Du willst doch nur Aufmerksamkeit. Heul nicht rum.“ – Puuuh. Diese Aussagen haben mir am Anfang meiner Aufklärungsarbeit zugesetzt. Mittlerweile kann ich ein Glück um einiges besser damit umgehen und lasse solche Aussagen nicht mehr zu nah an mich heran.


Im Frühjahr ist dein Buch „Leben mit Endometriose“ erschienen. Nimm uns mit in den Entstehungsprozess – hatte das Schreiben des Buches eine Art therapeutische Wirkung?

Definitiv. Mein größter Traum war es schon immer, ein eigenes Buch zu schreiben. Als ich dann eine Mail von meinem Verlag erhalten habe, ob ich nicht Lust auf ein Endometriose-Buchprojekt hätte, ist dieser Traum wahr geworden. Ich habe rund eineinhalb Jahre an meinem Buch geschrieben. Schon als ich die ersten Zeilen, mein Vorwort, geschrieben habe, habe ich gemerkt, dass dies auch einiges mit mir macht. Ich wusste, dass dieser Schreibprozess auch eine therapeutische Wirkung haben wird und ich habe bis zum Ende recht behalten. Es gab Tage, da konnte ich gar nicht schreiben, weil die Emotionen mich so überrollt haben. Ich bin noch einmal durch meinen ganzen Krankheitsprozess gegangen und das hat mich sehr aufgewühlt. Aber ich konnte meine Gefühle schon immer schriftlich so viel besser ausdrücken. Ich bin so dankbar, dass ich das machen durfte und ich durfte dadurch nochmal so viel über mich selbst lernen.

Endolöwin Endometriose

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"Nach meinen persönlichen Erfahrungen würde ich ganz klar sagen: Betroffene werden oft leider stigmatisiert."

Endometriose ist eine physische Erkrankung, die sich stark auf die Psyche auswirkt. Wie geht es dir mental mit der Krankheit?

Da ich über zwölf Jahre nicht wusste woher meine Schmerzen und Beschwerden kommen, war ich für die Endometriose-Diagnose sehr dankbar. Ich hatte somit nie ein wirkliches Problem damit, die Erkrankung zu akzeptieren. Ich war einfach dankbar für die Diagnose und hatte somit etwas, worauf ich endlich aufbauen konnte. Dies tat auch meiner Psyche unglaublich gut. Natürlich gibt es auch schlechte Phasen, vor allem meine Angst, niemals Mama werden zu können. Dies wirkt sich auch negativ auf meine Psyche aus. Dennoch versuche ich immer das Beste daraus zu machen. Wenn man aber merkt, dass die Psyche sehr leidet, dann scheucht auch nicht davor euch professionelle Hilfe in Form einer Psychotherapie zu suchen. Ihr müsst da niemals allein durch!

Etwa jede zehnte Frau in Deutschland leidet an Endometriose. Findest du, dass Betroffene mit ihrem Leid ernst genug genommen oder eher stigmatisiert zu werden?

Nach meinen persönlichen Erfahrungen würde ich ganz klar sagen: Betroffene werden oft leider stigmatisiert. Es ist leider so, dass Betroffene oft nicht mit ihren Schmerzen und Beschwerden ernst genommen werden. Man wird oft als zu sensible abgestempelt oder es wird einem unterstellt, dass man übertreibt und alles gar nicht so schlimm sein kann. Sind ja nur Periodenschmerzen. Zwinker. Zwinker. 
Ich hoffe sehr, dass sich das endlich ändert. Das wünsche ich mir uns, für euch und für mich.

Wie geht es deinem Partner mit deiner Diagnose? Wie erlebt ihr die Erkrankung als Paar?

Mein Partner hat auch seine Sicht in meinem Buch niedergeschrieben. Aus der Sicht eines Partners von einer Endometriosebetroffenen. Das ist superspannend und vor allem auch für andere Lebenspartner sehr greifbar. Denn diese Erkrankung betrifft nicht nur einen selbst, sondern wirkt sich natürlich auch auf eine Partnerschaft aus. Ich habe großes Glück, dass mein Partner mir sehr viel Verständnis entgegenbringt. Er ist sehr bemüht sich stetig mit Endometriose zu beschäftigen, begleitet mich bei Arztterminen und Endometriose-Events und unterstützt mich, wenn meine Kräfte durch die Endometriose auch mal schwinden. Er hat sich sogar die gelbe Endometriose-Schleife tätowieren lassen, um mir zu zeigen, dass die Erkrankung niemals zwischen uns stehen wird. Das wünsche ich ebenfalls jeder Betroffenen von ganzem Herzen.

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