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Lasst uns reden – und zwar über Femizide

Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau durch ihren aktuellen oder Ex-Partner getötet. Ein Problem, das seit langem bekannt ist – und über das dennoch zu wenig gesprochen wird. Viel zu wenig. Denn viele dieser Fälle schaffen es nicht einmal in die überregionalen Nachrichten. Traurige Realität nennt  man das wohl. Doch woran liegt das? Etwa daran, dass Morde an Frauen durch ihren Partner oder Ex-Partner inzwischen zu etwas Alltäglichem geworden sind? Höchste Zeit also, sich mit diesem unangenehmen und deswegen umso wichtigerem Thema zu befassen …

Wenn Frauen ermordet werden, weil sie Frauen sind, ist von Femizid die Rede. Auch in Europa und Deutschland gehört Gewalt gegen Frauen zum traurigen Alltag. Und tatsächlich spiegelt dieser traurige Alltag etwas wider, an den man sich irgendwie gewöhnt. Man gewöhnt sich daran, in den Medien etwas von einer "Beziehungstat" oder gar einem "Verbrechen aus Leidenschaft" zu lesen. Dass es sich bei dem vermeintlichen Verbrechen aus Leidenschaft um eiskalten Mord handelt, wird dabei beinahe überlesen – einfach, weil Berichterstattungen dieser Art leider zum Alltag gehören.

Blicken wir also auf jenen Alltag, der die bittere Realität statt einer romantisierten Version eines Leidenschafts-Verbrechen zeigt: Im Jahr 2017 wurden laut einer UN-Studie weltweit 50.000 Frauen von ihrem Partner, Ex-Partner oder einem Familienangehörigen getötet. Weil sie Frauen waren. 147 Todesopfer aus diesem Jahr stammten aus Deutschland. 123 waren es im Jahr 2018. Sie mussten sterben, weil sie Frauen waren. Im vergangenen Jahr gab es 111 Morde und 192 Mordversuche an (Ex-)Lebensgefährtinnen durch Männer. Nochmal: Der Grund für ihren Tod war ihr Geschlecht.

"Die Tötung einer oder mehrerer Frauen durch einen oder mehrere Männer, weil sie Frauen sind"
(Diana E. H. Russell)

Femizid („Frauentötung“; aus englisch femicide, analog zu homicide „Tötung eines Menschen“, in Anlehnung an lateinisch femina „Frau“ und lateinisch caedere „töten“) bezeichnet die Tötung von Menschen weiblichen Geschlechts.

Der Begriff Femizid wurde im Jahr 1976 von Diana E. H. Russell, einer feministischen Aktivistin und Soziologin, mitbegründet. Weltweit haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Protestbewegungen gegen Femzide gebildet. Vor allem Lateinamerika gilt als Vorreiter der Proteste gegen Gewalt an Frauen – allein in El Salvador wurden 468 Frauen im Jahr 2017 durch ihren aktuellen oder ehemaligen Partner getötet. Bewegungen wie #NiUnaMenos (#NichtEineWeniger) in Argentinien oder #NiUnaMas (#NichtEineMehr) in Mexiko protestieren regelmäßig gegen die Ermordung von Frauen – und gegen die Tatenlosigkeit der Polizei.

Inzwischen sind die Bewegungen auch in Deutschland angekommen. Feminist:innen wollen endlich gehört werden, wenn es darum geht, die Regierung und den Staat auf mehr Schutzmaßnahmen für betroffene Frauen hinzuweisen. Ihre Forderung liegt auf der Hand: Es muss mehr dafür getan und investiert werden, dass Gewalttaten gegen Frauen verhindert werden können. Die Initiative #KeineMehr fordert unter anderem eine Reform des §211 Strafgesetzbuch, welcher das Tötungsstrafrecht definiert. Laut diesem müssen für den Strafbestand Mord bestimmte Merkmale wie Heimtücke oder Habgier vorliegen; bei Femziden werden die Täter oftmals aber nur wegen Totschlags verurteilt. Warum? Weil sie angeblich im Affekt und nicht aus Heimtücke handelten – womit wir wieder beim besagten "Verbrechen aus Leidenschaft" wären … Findet den Fehler!

Es gibt noch viel zu tun, wenn wir darauf blicken, dass in Deutschland alle drei Tage eine Frau durch ihren (ehemaligen) Partner getötet wird. Sie wird ermordet. Umgebracht. Weil sie eine Frau ist, eine Frau war. 111 Frauen waren es im vergangenen Jahr – wie viele werden es in diesem Jahr sein? Der erste Schritt im Kampf gegen Femizide ist, über sie zu sprechen. Laut auszusprechen, dass Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind. Es ist kein Problem, das ausschließlich in lateinamerikanischen oder Entwicklungsländern passiert. Es passiert hier, genau vor unseren Augen.

Also, lasst uns reden – und zwar über Femizide!

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