Foto: Unsplash/J Lee

Der Tag, an dem ich beschloss, mich nicht mehr ständig zu fragen, ob ich mir ein Kind wünsche oder nicht

Das Thema Kinderwunsch und Schwangerschaft war für mich lange etwas, das ich gaaaaanz weit in meiner Zukunft gesehen habe. Nach dem Studium brannte ich wie verrückt darauf, endlich in die Arbeitswelt entlassen zu werden, zu reisen, mir Dinge zu leisten. Kurz: zu leben und mich zu verwirklichen. Versteht mich nicht falsch: Nicht, dass man das mit einem Kind nicht auch könnte, aber einen Kinderwunsch, wie ihn mit Ende 20, Anfang 30 einige meiner Freundinnen verspürt haben, hatte ich nicht. Und tatsächlich habe ich ihn heute, mit 36, noch immer nicht.

Ich mag zwar auch heute (noch) keinen Kinderwunsch verspüren – das soll aber nicht bedeuten, dass ich mich mit diesem Thema nicht ausgiebig befasst hätte. Ganz im Gegenteil: Rückblickend würde ich sogar behaupten, dass ich mich in den vergangenen Jahren so viel damit beschäftigt habe, dass das ständige Gedankenkarussell zeitweise sogar belastend wurde. Denn irgendwie hatte sich über viele Jahre auch in meinem Kopf der Gedanke sozialisiert, dass er sich doch irgendwann einmal einstellen müsse, der Kinderwunsch. Und die Tatsache, dass er es nicht getan hat, war alles andere als einfach für mich.

Neben der Mitgliedskarte für besagten Club gab es also ein gratis Willkommensgeschenk der besonderen Art: das Gefühl, ständig die vermeintliche biologische Uhr ticken zu hören. Mein Eintritt in den Thirtysomething-Club glich also in gewisser Hinsicht dem Besuch eines Rummels – Fahrgeschäfte inklusive.

Auch wenn ich rückblickend absolut dafür plädiere, sich von seinem Alter nichts vorschreiben zu lassen, war auch ich nicht gefeit davor, dass sich pünktlich zu meinem 30. Geburtstag dieses unangenehme und leise Ticken einer imaginären Uhr in meinem Kopf verankerte. Den Zwiespalt, in dem ich mich damals befand, kennen sicherlich viele: Man verspürt noch keinen Kinderwunsch, wird aber mit Eintritt in den Thirtysomething-Club gesellschaftlich und unausgesprochen dazu verdammt, sich damit auseinanderzusetzen – ob man will oder nicht …

Tja, so war es auch bei mir. Neben der Mitgliedskarte für besagten Club gab es also ein gratis Willkommensgeschenk der besonderen Art: das Gefühl, ständig die vermeintliche biologische Uhr ticken zu hören. Mein Eintritt in den Thirtysomething-Club glich also in gewisser Hinsicht dem Besuch eines Rummels – Fahrgeschäfte inklusive. In meinem Fall fuhr das Gedankenkarussell mal eine Runde vorwärts, dann wieder eine Runde rückwärts – und wer schon einmal nonstop Karussell gefahren ist, weiß, dass einem davon echt schwindelig werden kann.

Wenn ich mir kein Kind wünsche, warum mache ich mir dann so viele Gedanken um dieses Thema?

Mir für meinen Teil wurde ausgesprochen schwindelig, denn obwohl ich zu diesem Zeitpunkt meinen Pa(a)rtner in Crime bereits gefunden hatte, wollte sich auf unserer Bucket-List das Kinderthema einfach nicht ausbreiten. Und so kam es, dass ich mich relativ schnell in einem relativ zermürbendem Dilemma befand: Wenn ich mir kein Kind wünsche, warum mache ich mir dann so viele Gedanken um dieses Thema?

Tatsächlich war es genau diese Frage, die mich zwischenzeitlich halb wahnsinnig machte. Denn einerseits war ich zwar total fein mit der Tatsache, noch keinen Kinderwunsch zu verspüren, andererseits hat es mich beschäftigt, warum ich genau das bin. Verstärkt wurde das Ganze dann natürlich noch durch Kommentare und Nachfragen von außen, denn es ist nicht zu leugnen, dass es noch immer in den gesellschaftlichen Denkweisen vieler Menschen verankert ist, ein Kind bekommen zu müssen. Und so kam es, dass sich irgendwann auch in meinem Kopf Gedanken wie "Nicht, dass du irgendwann einmal aufwachst und bereust, keine Mutter geworden zu sein" versuchten einzunisten.

Der Hätte-hätte-Fahrradkette-Moment war also eingetreten – und dann war da auch noch die Sache mit der Endometriose, die mein gedankliches Kettenkarussell nicht gerade langsamer seine Runden drehen ließ: Kann ich mit meiner Erkrankung überhaupt schwanger werden? Was, wenn ich mich plötzlich doch für ein Leben mit Kind entscheide und dann geht es nicht?! Muss ich womöglich damit leben, dass mein Körper mir die Entscheidung abnimmt, ein Kind zu bekommen oder nicht? Ich will es einmal vorsichtig ausdrücken: Als mein Kopfkino genau diesen Status erreicht hat, wusste ich, dass es Zeit wird, die Reißleine zu ziehen – und zwar dringend!

Dass viele Frauen sich von genderspezifischen Rollen, gesellschaftlichen Schubladen und vielleicht auch von der vermeintlich tickenden biologischen Uhr verunsichern lassen und möglicherweise denken, sie müssten einen Kinderwunsch verspüren, auch wenn dem nicht so ist, ist ein Problem, das auch im Jahr 2021 noch immer einen Stellenwert im Leben vieler Menschen einnimmt.

Natürlich konnte ich nicht von heute auf morgen damit aufhören, mich zu fragen, ob ich mir ein Kind wünsche oder nicht. Und auch heute gibt es Tage oder Momente, in denen ich mich mit genau diesem Thema beschäftige. Das Gute daran: Ich weiß, dass ich den gesellschaftlichen Druck, der auf dem Thema Kinderwunsch und Co. liegt, inzwischen überwunden habe. Sollten mein Partner und ich uns eines Tages für ein Kind entscheiden, sind wir allein die einzig relevanten Personen, die in dieser Angelegenheit etwas zu entscheiden haben und sonst niemand.

Und dennoch: Dass viele Frauen sich von genderspezifischen Rollen, gesellschaftlichen Schubladen und vielleicht auch von der vermeintlich tickenden biologischen Uhr verunsichern lassen und möglicherweise denken, sie müssten einen Kinderwunsch verspüren, auch wenn dem nicht so ist, ist meiner Meinung nach ein Problem, das auch im Jahr 2021 noch immer einen Stellenwert im Leben vieler Menschen einnimmt.

Schlussendlich ist sowohl die Entscheidung für ein Leben mit Kind als auch für ein Leben ohne Kind ein emotionaler Schritt, den wir gehen. Und solange uns eben dieser Schritt glücklich macht, sollten gesellschaftliche Schubladen am besten geschlossen bleiben.

Gefällt dir? Dann sag's weiter: